Mini-Serie startet mit: die Falkenhausenbrücke im Laufe der Jahrzehnte
Dass die Kehler eifrige Brückenbauer sind, zeigt schon die Geschichte des Altrheins. Seit den gut 100 Jahren, in denen er nun als Stadtweiher zwischen Zentrum und "Insel" dient, überspannt ihn bei der Falkenhausenschule nun bereits die vierte Brücke – mindestens.
Als vermutlich erster Übergang ist auf einem historischen Foto ein einfaches Holzbauwerk zu sehen. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg dürfte es durch den Betonsteg ersetzt worden sein, der bis in die 1980er die beiden Altrhein-
ufer verband. Er trug zunächst auch ein Geländer aus Beton, ab 1955 dann eines aus Eisen.
Alarmstufe Rot war Mitte Oktober 1986 angesagt: Ein Pfeiler hatte sich über längere Zeit hinweg um 14 Zentimeter in den Boden gesenkt und die Brückenplatte erheblich durchgebogen. Sie war dadurch rissig und brüchig geworden, die Stahlträger rosteten – es bestand Einsturzgefahr.
Für Radler passierbar
So wurde die Betonbrücke samt Unterbau abgerissen und durch eine Konstruktion aus Bongossi-Holz ersetzt, inklusive neuer Pfeiler – die beachtliche 12,5 beziehungsweise 16,5 Meter tief in den Altrheingrund gerammt werden mussten. In drei Teilen in Holland vorgefertigt und antransportiert, wurde der 35 Meter lange Holzsteg an nur einem Vormittag auf seine Stützen gesetzt. "Neue Altrheinbrücke unter dem Christbaum der Kehler", schrieb unsere Zeitung damals. Am 19. Dezember 1986 schnitt Oberbürgermeister Detlev Prößdorf das Band durch; Planung und Bau hatten nur gut zwei Monate gedauert.
2,50 Meter Breite – statt glatt zwei Meter wie beim vorherigen Bauwerk – machten’s möglich, dass über die Falkenhausenbrücke nun auch geradelt werden durfte. Dies sollte sich spätestens 2004 als weitsichtig herausstellen: Zur Landesgartenschau entstand die Passerelle des deux Rives über den Rhein und vollendete eine schnelle und verkehrsarme Fahrradroute vom Kehler Zentrum nach Straßburg – zu der fortan auch die Falkenhausenbrücke gehörte.
Bei Bongossi handelt es sich um ein Hartholz aus Westafrika. Dort wird es wegen seiner Stabilität auch "Eisenholz" genannt, wie unsere Zeitung 1986 erklärte: "Es ist in höchstem Maß witterungsbeständig und auch pilz- und insektenresistent. Daher erübrigen sich auch aufwendige Anstrich- und Instandhaltungsarbeiten." Und die Pfeiler aus Basralocus-Holz seien "äußerst hart und unverrottbar".
Mit diesen Prognosen war man allerdings ein wenig auf dem Holzweg: Schon in den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten nagte der Zahn der Zeit kräftig an der Falkenhausenbrücke – 2010 waren die Pfeiler fällig. "Nach 25 Jahren haben Wasser und Insekten sie so beschädigt, dass der Unterbau erneuert werden muss", berichtete unser Artikel. Und weitere rund zehn Jahre später, 2021, kündigte die Stadt dann den kompletten Brückenneubau an; Pilze, Verwitterung und Feuchtigkeitsschäden hatten auch das "Eisenholz" nun endgültig mürbe gemacht.
Im Juli 2023 schließlich war die Falkenhausenbrücke laut KEZ in einem so schlechten Zustand, "dass sie bald gesperrt werden müsste". Noch weitere zehn Monate dauerte es, bis Ende Mai 2024 die Bauarbeiter anrückten: Der Bongossi-Steg machte Platz für die jetzige pfeilerlose Überführung aus Brettschichtholz und mit Glasfaserboden, die auf Stahlbeton-Widerlagern ruht. Sie ist vier Meter breit, damit Fußgänger und Radler noch bequemer aneinander vorbeikommen. Von den 1,1 Millionen Euro zahlte das Land rund zwei Drittel im Zuge eines Förderprogramms für kommunale Rad- und Fußwege. Liefer- und Wetterprobleme bremsten den Bau etwas, aber noch vor Weihnachten, am 16. Dezember, wurde der neue Steg eingeweiht – fast auf den Tag genau 38 Jahre nach seinem Vorgänger.
Eines haben alle bisherigen Falkenhausenbrücken gemeinsam: Sie waren und sind autofrei. Dies war allerdings nicht immer so geplant. Denn in den 50ern, als freie Fahrt für freie Bürger angesagt war, kursierte die Idee, einen weiteren Straßenübergang über den Stadtweiher zu schaffen. Quasi geradlinig zwischen Rathaus und Rhein sollten die Autos an der Schule vorbei über eine neue, breite Altrheinbrücke fahren können – und die Großherzog-Friedrich-Straße somit nicht mehr unterbrochen sein. "So könnte eine zweckmäßige Anfahrtsmöglichkeit zum Schwimmbad, Campingplatz oder Kronenhof erreicht werden", fand 1959 beispielsweise ein SPD-Stadtrat. Über diese Brücke freilich wollten die Lehrer der Falkenhausenschule nicht gehen: Sie reagierten mit scharfem Protest (siehe Infokasten). Letztlich blieb die Autobrücke eine Vision, wenngleich die Idee Mitte der 70er nochmals kurz aufflammte.
Übrigens: Während bei der Falkenhausenschule nun bereits einige Altrhein-Übergänge kamen und gingen, befindet sich die Krankenhausbrücke immer noch weitgehend im Urzustand. Sie wurde schon vor über 100 Jahren erstellt – mit dem Krankenhaus (ältester Gebäudeteil 1916 eröffnet) und den ersten "Insel"-Bauten.
Die Straßenbrücken-Pläne 1959 – und der Protest
Sollten bei der Falkenhausenschule künftig Autos über den Altrhein fahren – und hierfür eine breite Straßenbrücke entstehen? Zu den 1959 kursierenden Plänen hatte die Schule eine klare Meinung, wie folgender Leserbrief in der Zeitung zeigte:
"Die Lehrer der Falkenhausenschule geben zu bedenken, dass durch dieses Vorhaben die gesegnete Ruhe, welche diese Schule vor vielen anderen auszeichnet und sie Lehrern und Schülern lieb macht, für immer dahin ist. Ist es wirklich notwendig, dass der Motorenlärm, der unsere Nerven verzehrt, in jeden Winkel getragen wird? Während man andernorts bemüht ist, 'Oasen der Stille' zu schaffen, wo sich die Menschen von Hast und Lärm erholen können, wird hier die letzte Insel des Friedens dem Moloch Verkehr geopfert.
Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass unser Unterricht durch Lärm und Mopedgeknatter zerrissen wird. Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass das landschaftliche Idyll inmitten der Stadt zerstört wird. Wir würden es bedauern, wenn der liebliche Vogelgesang und das Hämmern der Spechte, das hin und wieder aus den alten Trauerweiden in die Schulstube tönt, vom Lärm der Technik abgelöst wird. Wir möchten verhindern, dass die Kinder beim Verlassen des Schulhauses durch den Durchgangsverkehr gefährdet werden" – all dies gaben die Lehrer in ihrem Brief zu bedenken.⇒ag
Die Kehler Unterwelt
Mancher Spaziergänger oder Radfahrer mag sich schon gefragt haben: Was hat es eigentlich mit dem großen Schlund auf sich, der am Ostufer des Altrheins direkt neben der Falkenhausenbrücke in den Kehler Untergrund führt?
Antwort: Es handelt sich um einen Entlastungskanal, der Altrhein und Schuttermühlkanal verbindet. Bei zu hohem Pegel fließt das überschüssige Wasser vom Altrhein Richtung Läger, wo sich ein Rückhaltebecken befindet.
Früher, als die große dunkle Öffnung noch nicht vergittert war, verleitete sie Schulbuben zu mancher Mutprobe in Maulwurfs-Manier – wie der ehemalige "Bierkeller"-Wirt Gebhard Probst (Jahrgang 1951) erzählt: "Den Kanal konnte man damals betreten, da sind wir nachmittags mal reingeschlüpft – und die Härtesten von uns sind tatsächlich fast bis zum anderen Ende des Kanals gekommen, bis das Ungeziefer dann doch zu viel wurde. Sie haben also die Innenstadt fast ganz unterquert!"⇒ag