Lehrerin aus Leidenschaft
Am morgigen Sonntag feiert Ursula Flügler ihren 75. Geburtstag. Als begeisterte Lehrerin unterrichtete sie 38 Jahre lang am Okengymnasium Deutsch und Latein. Zum 150-jährigen Bestehen des Okens 2001 schrieb sie ein Theaterstück über den Namenspatron der Schule.
Offenburg. »Ich habe immer gewusst, dass ich Lehrerin werden wollte«, erklärt Ursula Flügler ohne Zögern. Die Berufswahl lag nahe, war sie doch 1940 in Baden-Baden in eine Lehrerfamilie hinein geboren worden. Ihr Vater, Wilhelm Flügler, wurde 1959 Direktor des Schiller-Gymnasiums Offenburg, als die Tochter am Gymnasium Hohenbaden ihr Abitur ablegte. Die Fächer Deutsch und Latein, die sie anschließend in Freiburg und München studierte, waren ihre »Leidenschaft«. Dass Latein heute wieder in Mode kommt, weil man »die Nützlichkeit des systematischen Lernens« dieser Sprache wieder schätzt, entlockt Ursula Flügler nur ein skeptisches Kopfschütteln. »Latein ist eine schöne Sprache, die ab dem ersten Lehrbuch wunderbare Inhalte und große Gedanken vermittelt«, hält sie solch schnödem Utilitarismus entgegen.
Tolle Studienzeit erlebt
Ihre Studienzeit in München genoss die Jubilarin sehr: »Das waren Jahre mit großen Möglichkeiten, mit guten Theatern und Bibliotheken und erstklassigen Professoren.« Trotzdem wollte sie nach dem ersten Staatsexamen 1965 ins Badische zurück.
Sie kam als Referendarin ans Oken-Gymnasium. »Es hat mir gefallen – da wollte ich bleiben!«, konstatiert sie. Zurückblickend auf ihre 38 Jahre als Lehrerin kann Ursula Flügler pädagogische Modeströmungen einordnen: »Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist im Grunde eine Konstante. Die Schüler durchschauen sofort, ob ein Lehrer in seinem Fach gut ist. Und man selbst muss sich bewusst sein, etwas Wichtiges zu vermitteln.«
Die Poesie begleitet die Jubilarin schon lange. Bereits im Jahr 1977 veröffentlichte sie den Gedichtband »Erstes Lateinbuch«, der inzwischen vergriffen ist, genau wie die Gedichtsammlung zum »Jüdischen Friedhof von Offenburg«, die ihr Literaturkurs 1986/87 herausbrachte. Den Jüdischen Friedhof, damals noch eine völlig verwunschene Oase, hatte Ursula Flügler schon auf Streifzügen mit ihrem Vater entdeckt. Der begeisterte Ornithologe gab diese Leidenschaft an seine Tochter weiter. Auch beim zweiten Gengenbacher Adventskalender 1997 wirkte die Jubilarin mit und suchte die Gedichte zu den Bildern von Otmar Alt aus – einige verfasste sie sogar selbst.
Den Schritt in ein anderes Genre wagte die Jubilarin, als 2001 das 150-jährige Oken-Bestehen anstand. Sie schrieb das Theaterstück, mit dem das Okengymnasium seinen Namensgeber feierte. »Ich hatte die Szenen praktisch vor Augen und musste sie nur aufschreiben«, erläutert Ursula Flügler ihre Technik. »Okens Leben war so ungeheuer: vom Bohlsbacher Bauernsohn zum Professor in Zürich, die Begegnungen mit Goethe und Georg Büchner.«
Den 75. Geburtstag wird Ursula Flügler mit ihrer Familie feiern, und dabei die Gäste selbst beschenken. Ihr Neffe hat nämlich eine Sammlung ihrer Gedichte mit dem Titel »Spiegel und Schatten« verlegen lassen.