Einblicke in Nordrachs "kleines Münster"
Der Historische Verein Nordrach lud am Freitagspätnachmittag zu einer Kirchenführung mit Michaela Neuberger ein. Rund achtzig Einwohner aus Nordrach und Umgebung nahmen teil und erlebten eine „wilde Elfriede“ alias Michaela Neuberger, die mit Witz und Anekdoten die Pfarrkirche und ihre wertvolle Innenausstattung erklärte.
Die Führung begann vor der Sakristei, wo „Elfriede“, vom Rathaus hereilend, mitteilte, sie müsse für die verhinderte Michaela Neuberger die Führung übernehmen. Sie wies darauf hin, dass hier seit Jahrhunderten eine St. Uldaricus-Chorturmkirche gestanden habe. Diese sei aber aufgrund des Bevölkerungszuwachses zu klein geworden. Pfarrer Johann Georg Balzer, der seit 1883 Pfarrer in Nordrach war, habe den Neubau einer größeren Kirche in jahrelangen Verhandlungen ermöglich.
Die Grundsteinlegung wurde am Pfingstmontag, 23. Mai 1904. gefeiert. Die in neugotischem Stil errichtete Kirche, die jetzt St. Ulrich heißt, steht unmittelbar neben dem Platz der Vorgängerkirche. Der Glockenturm, in dem sechs Glocken läuten, hat die stattliche Höhe von 63 Metern.
Die Kirche wurde in nur 16 Monaten Bauzeit fertiggestellt. Die Einweihung der Kirche erfolgte am 18. Oktober 1905 mit einem großen Volksfest. Kenner nennen sie auch „kleines Münster im Kinzigtal“.
Der Kirchenraum beeindruckt durch seine klaren Strukturen und wertvolle Innenausstattung. Je sechs Säulen aus rotem Sandstein teilen den 40,8 Meter langen, 17,2 Meter breiten und 17 Meter hohen Raum. In den Bänken, geteilt durch einen Mittel- und Quergang, finden 800 Personen Platz. Oben an den Sandsteinsäulen des Langhauses befinden sich zehn lebensgroße Figuren der Apostel mit ihren Attributen und rechts über der Sakristei die Apostel Petrus und Paulus. Die hohen Fenster der Seitenschiffe und die Fenster im oberen Teil lassen genug Licht einfallen. Sie sind von Eugen Börner in Offenburg hergestellt worden und stellen Szenen aus dem Leben der vierzehn Nothelfer dar.
Prunkstück im Inneren der Kirche ist der von den Gebrüdern Moroder in Offenburg geschnitzte, bemalte und mit reicher Vergoldung versehene Hochaltaraufsatz. Ein außergewöhnliches Kunstwerk ist auch die Kanzel, die vom Bildhauer G. Hausach aus Horb hergestellt wurde.
Die kunstvolle Orgel mit 27 Registern stellte Orgelbauer E. A. Roethinger in Schiltigheim bei Straßburg her. Der Taufstein aus Sandstein, der vor dem linken Seitenaltar steht, ist das älteste Schmuckstück in der Kirche. Er stand schon in der alten Kirche und trägt die Jahreszahl 1618.
Die Gemeinde Nordrach stellte für den Neubau der Kirche das ihr gehörende Grundstück unentgeltlich zur Verfügung und leistete auch einen großen Anteil zur Finanzierung der Baukosten, die sich auf 175.000 Mark für den Bauaufwand und 65.000 Mark für die Inneneinrichtung beliefen. Zahlreiche Einwohner spendeten Geld.
Massiver Widerstand
„Elfriede“ Michaela Neuberger informierte ausführlich über die von Pfarrer Filip Leinz durchgeführte Außen- und Innenrenovation in den Jahren 1974 bis 1977. Das Erzbischöfliche Bauamt wollte damals alle nichtgotischen Elemente der Kirche entfernen lassen, darunter die Altäre, die Kommunionbank und die Kanzel. „Der massive Widerstand des Pfarrers, des Pfarrgemeinderats und namentlich von Erwin Junker verhinderten das Schlimmste“, schimpfte „Elfriede“ mit erhobener Faust. Abgebaut wurden jedoch ein Teil der Kommunionbank, der Aufgang zur Kanzel, die seitlichen Beichtstühle sowie die Kreuzwegstationsbilder, die als „zu kitschig“ bezeichnet wurden.
Der Treppenaufgang zur Kanzel wurde zum 100-jährigen Jubiläum der Pfarrkirche im Jahre 2005 nach den alten Plänen wiederhergestellt und die Kreuzwegstationsbilder, die vom damaligen Mesner Eugen Finkenzeller aufbewahrt worden waren, wurden an den Seitenwänden der Kirche angebracht. „Elfriede“ Michaela Neuberger lobte auch Erwin Junker dafür, dass er vor Jahren die Sanierung des vom Holzwurm befallenen Altars und der Heiligenfiguren finanzierte und die Vergoldung erneuern ließ.
Die Besucher dankten Michaela Neuberger für ihre informative und unterhaltsame Führung, die sie in ihrer unvergleichlichen Art mit Witz und Charme vortrug, mit einem kräftigen Applaus.