Auf einer kleinen Gasflamme kocht langsam der Kaffee hoch. Vorsichtig wird er in eine kleine Tasse mit winzigem Henkel gegossen. Im Hintergrund ertönt Musik. Zu hören ist die libanesische Sängerin Fairus. Sie singt vom schönen Mädchen aus Schalabija, dessen Augen wie Sterne funkeln und das leichtfüßig durch die Straßen tänzelt. Schöner könnte «ein Morgen voller Jasminblüten» - wie eine gängige Begrüßung zum Tagesanfang in der arabischen Welt lautet - für die Menschen von Bagdad über Beirut und Kairo bis nach Rabat kaum sein.

Unsterbliche Ikonen

Fairus ist Libanons ewige Ikone, eine Diva wie es sie kein zweites Mal im kleinen Mittelmeerland gab. Bis heute prägen die Lieder der mittlerweile 90-Jährigen die Gemüter der arabischen Länder und oft auch darüber hinaus. Ein Hauch von Nostalgie umgibt ihre Musik. Seit Ende der 50er Jahre erinnert sie die Menschen mit ihren oft sanften Balladen an die schillernden, allzu bekannten und heute doch längst vergangenen Tage Beiruts als «Paris des Nahen Ostens».

Auch Ägypten hat eine strahlende Ikone. Ihr Name: Umm Kulthum. Niemand konnte die Menschen mit ihrer Musik so in Trance versetzen, wie es die wohl bekannteste Sängerin der arabischen Welt zu Lebzeiten schaffte. Seit den 1920er Jahren ist sie auch über die Grenzen Ägyptens hinaus bis heute als «Kawkab al-Shark» - «Planet des Ostens» - bekannt. Ihre Lieder bauen sich langsam auf, wechseln zwischen langsamen und schnellen Melodien. Sie dauern teils bis zu einer Stunde. Mit oft komplexer, aber dennoch tiefgreifender arabischer Poesie und einem Mix aus westlichen und arabischen Instrumenten fesselte sie immer wieder Millionen Zuhörerinnen und Zuhörer vor den Lautsprechern. Sie singt von überwältigender Liebe, von der magischen Verbindungen zweier Liebender, von einer Liebesnacht, die so wunderschön ist, dass sie «tausend Nächte» wert ist.

Ihr Tod löste eine der größten Trauerbekundungen in der modernen arabischen Geschichte aus. Berichten zufolge begleiteten mehr als vier Millionen Menschen ihre Beerdigung 1975 in Kairo.

Ausstellung erinnert an Erbe arabischer Diven

Eine Ausstellung im Beiruter Sursock-Museum widmet sich nun genau diesem Thema - den «arabischen Diven». Neben Fairus und Umm Kulthum reihen sich hier Berühmtheiten wie die algerisch-libanesische Warde al-Dschasairija (übersetzt: die algerische Rose) oder Libanons drusische Asmahan und viele weitere arabische Sängerinnen der letzten hundert Jahre ein. Zu sehen sind Original-Kleider von den Auftritten aus den 50er bis 90er Jahren, Bild- und Videoaufnahmen der Auftritte oder Originalplakate. Zuvor war die Ausstellung unter anderem bereits in Paris und Amman zu sehen.

«Es ist eine Feier starker Frauen – Frauen, die eigene Produktionsfirmen gegründet und für ihre Gehälter gekämpft haben», erklärt Museums-Direktorin Karina al-Helu. Viele der Sängerinnen seien Vorreiterinnen gewesen, hätten sich in einem sonst männlich dominierten Feld behauptet und die arabischen Nationen mit ihren Stimmen und ihrer Kunst über Grenzen hinweg verbunden. Diese Frauen hätten was bewirken wollen, sich stark gemacht, um selbst einen Beitrag zu leisten. «Sie erinnern uns daran, dass sich die arabischen Frauen zur gleichen Zeit wie in Europa - wenn nicht sogar bereits früher - von einer patriarchalischen Gesellschaft befreiten», sagt al-Helu.

Bis heute keine Party ohne «Algeriens Rose»

«In den 90er Jahren haben wir alle zu Warde getanzt», erinnert sich einer der Besucher. «Auf jeder Party, auf jedem Tisch», fügt er hinzu. Diese Art der Musik lasse niemanden unberührt. Auch im Museum sind ihre Lieder im Hintergrund zu hören. Ihr wohl berühmtestes Lied «Batwanes beek» setzt mit Streichinstrumenten ein, die einen typischen Klang arabischer Orchester erzeugen. Das Lied baut sich mit immer mehr Klängen auf bis ein Akkordeon schließlich die Melodie anstimmt, die die Hüften von Männern und Frauen bis heute kreisen lässt. In Beiruter Clubs wie Ked oder Metro al Madina gehört das Lied genau wie Umm Kulthums «Tausend und eine Nacht» genauso wie viele andere Songs der «Diven» zum Standardprogramm.

Eine andere Museumsbesucherin erinnert sich an das legendäre Konzert von Fairus Anfang der 90er Jahre nach Ende des libanesischen Bürgerkriegs. Das Konzert ging in die Geschichte des Landes ein. Nach Jahren des blutigen Krieges zwischen rivalisierenden Gruppen im Land galt die Musik Fairus als alles vereinende Passion über die Konfessionen und Konfliktlinien hinaus.

Ein Hauch Optimismus in Krisenzeiten

Nun hat sie es ein weiteres Mal geschafft, der Gesellschaft in Krisenzeiten Optimismus zu verleihen. Es sei die erste Wanderausstellung im Sursock-Museum seit Beginn der verheerenden Wirtschaftskrise 2019 im Libanon, sagte Museums-Direktorin al-Helu. Selbst das Eröffnungsdatum sei symbolträchtig: Eröffnet wurde die Ausstellung am 17. Oktober - an dem Tag, der als Beginn des wirtschaftlichen Kollapses markiert wird.

Die Libanesinnen und Libanesen hätten nach Jahren der Rückschläge und einem kürzlichen Krieg etwas Fröhliches, etwas Aufmunterndes gebraucht, so al-Helu. Die arabischen Ikonen hätten den Libanon erneut zum Strahlen gebracht. «Fairus zeigt uns, dass es Grund zu Hoffnung gibt.»

Amira Rajab, dpa

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- Marwan Naamani