Kehl. Die Kabarett-Wucht Philipp Scharrenberg trat im Kulturhaus auf und entwirrte mit Herz und Verstand Herzen und Verstand des zahlreichen Auditoriums.
Das Kehler Publikum hat im Kulturhaus schon einige große Kaliber aus der Comedy- und Kabarettszene erlebt und gefeiert. Dafür sorgt seit Jahren das Kulturbüro, mit Stefanie Bade an der Spitze, die ein Händchen für hohe Qualität zu haben scheint. Aber mit der Einladung der Kabarett-Wucht Philipp Scharrenberg setzten sie eine Megakirsche auf die sprichwörtliche Torte.
Indische Küche
Scharrenbergs „Humor-Rezepte“, muss man gleich hinzufügen, erinnern eher an die authentische indische Küche: gut mit Ingwer und Cayennepfeffer gewürzt – es schmeckt vorzüglich, es treibt Tränen in die Augen (nicht zuletzt vor Vergnügen) und sind ohne Ausnahme vielschichtig wie eine Zwiebel.
Und so auch die Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit des Künstlers (der Genialität verdächtig). Er wird im Handumdrehen zum König der Bühne (und der Herzen), welcher souverän so ziemlich alles beherrscht: hervorragend schauspielern, gewitzt wie ein Loriot und Wilhelm Busch in einem dichten, singen und rappen, dazu noch komponieren.
Dann aber den Hofnarren (im guten Sinne) spielen: Maske ein, Maske aus – mal der Gentleman, mal der skurrile Hip Hoper, mal Anzug, mal Sportanzug, mit Glitzerkappe und Sonnenbrillen an. Seine Augen lächeln smart, was aber aus seinem Mund kommt, wirkt als Wort-Guillotine. Denn: „Ich bin nicht hier, um Euch nur Sachen zu sagen, die Euch gefallen – ich bin Kabarettist, kein Politiker“.
Verwirrend wirkt er absichtlich im Anfang seines brillanten Diskurses, denn (so wie sein neues Programm auch heißt) „Verwirren ist menschlich“. Er führt den vorerst perplexen Zuschauern vor, wie man von einem Gedankennetz gefangen genommen wird, hinein verlockt wie eine Fliege. Und dann bleiben alle drinnen, schön klebend. Im Internet zumal auch festgeklebt. Die Freiheit? „Digitale Medien, die gucken zurück. Die beobachten Dich“, warnt Scharrenberg. Und: „Die Welt, vor der ich zitter/da stirbt die Freiheit unterm Glitzer“.
So sei die Welt geworden, in der wir leben: Denn wer könne noch zwischen Fakenews und Wahrheit unterscheiden? Wem vertrauen, außer dem eigenen Herzen? Wie sich befreien aus dem komplexen Netz des Internets und der Social-Media-Plattformen?
Wahlen manipuliert
Wie auch noch richtig einen Präsidenten wählen, wenn Wahlen schon in einem EU-Land via Cyberattacken manipuliert wurden? Kann man vor der künstlichen Intelligenz die eigene Menschlichkeit noch verteidigen? Wie können wir extreme und sinnlose Maßnahmen erkennen und stoppen, oder absurde Ideologien? Kann der Mensch sich schützen vor den wie ein Krebs wuchernden Formen von Angstmachern, vor dem Schlechten-Nachrichten-Storm, die andauernd im Fernsehen und in den Massenmedien kommen?
Scharrenberg gibt keine Antworten, sondern legt den Finger in die Wunde. „Im Desinformationszeitalter brauchen wir niemanden mehr, um uns zu verwhatsappeln – wir tun es selbst“, so das wachsame Multitalent.
Er sei kein großer Freund der KI und warnt davor. „Die Vermessung des Menschen läuft seit langem schon. 84 Prozent der Menschheit ist schon vermessen worden. Für die KI sind wir Grill“.
Geist und Leib
Der kabarettistische Diskurs wird dann doch irgendwie zum Ariadne-Faden, der den Zuhörer aus der „menschlichen Verwirrung“ zur übermenschlichen (fast unmöglichen) Entwirrung für Verstand und Herzen hinausführen möchte. Ob er die Ereignisse im Weißen Haus kommentiert, oder die Bigotterie derer, die vorgeben, die Umwelt schützen zu wollen – sich jedoch genau verkehrt verhalten – oder über die Vergiftung von Geist und Leib warnt, der schon Kinder von allen Seiten ausgesetzt werden: Scharrenberg bleibt stets auf hohem Niveau, lebhaft-bitter-lustig, tiefgründig und, nicht zuletzt, urkomisch.
Am Ende ermahnt Philipp Scharrenberg, ohne belehrend zu wirken: „Auch ein Kabarettabend ist übelste Manipulation! Bleibt wach, bitte, hinterfragt alles, was andere sagen und Ihr sagt. Wir brauchen keine Revolution, sondern Aufklärung – unsere eigene Mündigkeit zurück, und auf das Herz hören. Lasst uns den inneren verkrümmten Bonsai wieder zu einem großen Baum werden!“