Nach der Bundestagswahl laufen die Koalitionsverhandlungen auf Hochtouren. Das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz (ZEV) mit Sitz in Kehl fordert die Aufnahme der Elementarschadenversicherung in den Koalitionsvertrag.

Während 98 Prozent der französischen Haushalte gegen Naturkatastrophen versichert sind, sind es in Deutschland nur 50 Prozent. Klare Abläufe, kurze Erstattungsfristen und einheitliche Vorgaben zu den abgedeckten Risiken schaffen Vertrauen, sowohl für Versicherungsunternehmen als auch für Privatpersonen. Dass dieser flächendeckende Versicherungsschutz im Nachbarland so gut funktioniert, hat mehrere Gründe, schreibt das ZEV.

Solidaritätsprinzip: Durchschnittlich 42 Euro im Jahr zahlt jeder Haushalt in das CatNat-System gegen Elementarschäden ein, dadurch wird es für alle günstiger. Bei jeder Hausrat- und Gebäudeversicherung ist eine Elementarschadenversicherung zwingend enthalten. Es besteht aber keine Versicherungspflicht für die eigene Immobilie. Wer nicht versichert ist, kann nicht auf staatliche Hilfen hoffen.

Einfache Bewertung: Zudem entfällt ein kostspieliger Zwischenschritt. In Deutschland wird für jede Immobilie eine individuelle Risikobewertung angefertigt. Frankreich verzichtet ganz pragmatisch darauf. Ausschlaggebend ist nur der Wert der Immobilie. Frankreich berechnet hier eine Gebäudeversicherung wie in Deutschland und koppelt diese mit einer prozentual anfallenden Elementarschadensprämie. Ob es sich um ein Risikogebiet handelt oder nicht, macht keinen Unterschied. Eine teure Eingruppierung der jeweiligen Wohngebiete und die ständige Aktualisierung dieser Gebiete entfällt und wird nicht auf die Versicherungsnehmenden abgewälzt. Die Risikogebiete werden von den Kommunen im Rahmen ihrer Präventionspläne erstellt. Allerdings nur, um Präventionsmaßnahmen gezielt vornehmen zu können und nicht, um Versicherungsprämien zu berechnen.

Starker Rückversicherer: Die französische Versicherungswirtschaft hat einen starken staatlichen Rückversicherer mit „Stop-Loss“-System und staatlicher Garantie an ihrer Seite. Im Schadensfall ist das Risiko des Versicherungsunternehmens also begrenzt, da ab einem gewissen Betrag der Rückversicherer einspringt. Diese Sicherheit ermöglicht es, selbst in Hochrisikogebieten Versicherungen anzubieten.

Prävention: Gleichzeitig wird mit den an den Rückversicherer gezahlten Prämien ein Fonds finanziert, der Studien und Baumaßnahmen zur Prävention fördert und auch zwingend erforderliche Umsiedlungen aus Gefahrenzonen übernimmt. Aufgrund kommunaler Präventionspläne für vorhersehbare Naturgefahren ist es in bestimmten Gebieten verboten, zu bauen oder zerstörte Gebäude an der gleichen Stelle wiederaufzubauen.

Kontinuierliche Einnahmen für den Staat: Falls der Rückversicherer die Staatsgarantie in Anspruch nehmen muss, werden Steuergelder in das CatNat-System eingespeist. In über 40 Jahren musste der Staat aber nur einmal eingreifen. Im Jahr 2000 flossen 263 Millionen Euro französischer Steuergelder zum Rückversicherer, ein Bruchteil verglichen zu den 30 Milliarden, die Deutschland fürs Ahrtal bereitstellen musste. Diese Staatsgarantie lässt sich Frankreich vom Rückversicherer bezahlen. Jedes Jahr fließen Einnahmen im dreistelligen Millionenbereich an den französischen Staat. Während Deutschland in den letzten Jahrzehnten viele Milliarden Steuergelder aufwenden musste, hat Frankreich unter dem Strich mehrere Milliarden eingenommen.

Das ZEV fordert daher ein ganzheitliches System nach französischem Vorbild, um Verbraucher aus Deutschland effektiv und ohne teure Hilfspakete zu schützen. Die beiden potenziellen Koalitionspartner CDU und SPD haben in ihren Wahlprogrammen eine flächendeckende Elementarschadenversicherung propagiert – jetzt müsse gehandelt werden und eine solche Absicherung in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden, schreibt das ZEV in einer Pressemitteilung.

Hintergrund

Das CatNat-System

Seit 1982 besteht in Frankreich ein ganzheitliches System zur Absicherung gegen Elementarschäden, welches erstaunlich günstig ist und gut funktioniert. 98 Prozent der Haushalte sind damit abgesichert, was die Staatsausgaben entlaster.

Fundament des Systems zum Schutz vor Elementarschäden (régime catastrophe naturelle, sog. „CatNat-System“) bildet in Frankreich das Prinzip der nationalen Solidarität. Es hat Verfassungsrang und ergibt sich unmittelbar aus der Präambel der französischen Verfassung von 1946. In Absatz 12 heißt es: „Die Nation verkündet die Solidarität und Gleichheit aller Franzosen vor den Lasten, die aus nationalen Katastrophen resultieren“

Hieraus ergibt sich das Postulat der geografischen Solidarität, demzufolge die Risiken auf die Schultern aller Versicherten verteilt werden; und zwar unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, selbst den Naturgefahren ausgesetzt zu sein. Auf diese Weise wird die Gleichheit Bürger vor den Auswirkungen von Naturkatastrophen garantiert.