Die Schauspielerin, Regisseurin und Intendantin des „Theaters der zwei Ufer“, Ruth Dilles, und ihr Team scheinen mit der guten Fee der Kreativität einen Pakt geschlossen zu haben: So wie einem Magier die Häschen aus dem Hut, hopsen auch dem Ensemble ständig neue Projektideen aus dem Ärmel.

Somit zählt das „Theater der zwei Ufer“ seit zehn Jahren zu den bewährten Kulturinstitutionen der Kehler Region, die gegen die „Verkindischung der Gesellschaft“ durch Fernseher (wie es in der Soziologie so hübsch heißt) gegen Kitsch und schlechte Qualität wie ein Bermuda-Dreieck wirken.

Zum Valentinstag gab es erwartungsgemäß ein auserlesenes Programm mit Musik vom Feinsten, mit Romantik und zugleich aber auch mit viel Witz und Tiefgang – wobei den instrumentalen Musikpart der Violinist Wolfgang Joho und Andreas Dilles am Flügel übernahmen. Die Texte – in einem gut ausbalancierten Spagat zwischen Sketch-Episoden von Loriot, „pikanten Märchen“ aus aller Welt sowie Lyrik von Rainer Maria Rilke und Eugen Roth – trug Ruth Dilles vor, wobei in den „Szenen einer Ehe“ (von Loriot) auch ihr Mann Andreas todernst-mürrisch-urkomisch (mit-)wirkte.

Facettenreiches Spiel

Ruth Dilles ist eine facettenreiche Schauspielerin, die immer wieder neu überrascht und das Publikum in ihren Bahn zieht. Und sie ist intensiv: Ganz gleich, ob sie anspruchsvolle Lyrik oder lustige Märchen aus aller Welt vortrug oder kabarettistisch Lieder von Friedhelm Kändler und Element of Crime („Nimm die Hände aus dem Essen“) sang: Sie schaffte es, eine große Vielfalt an Emotionen authentisch wiederzugeben und auch in den Zuhörern zu erwecken.

Dilles schlüpfte mühelos in die Rolle der unerträglichen Zicke aus Loriots „Szenen einer Ehe“, um kurz darauf eines der schönsten Poeme der deutschsprachigen Liebeslyrik – „Liebeslied“ von Rilke – mit Sanftmut zu rezitieren. Darauf erzählte sie mit schnippischem Humor die Geschichte eines jungen Mannes, der im Bett einer Äbtissin landet und es sich im Kloster als ihr Lover jahrelang gut gehen lässt, und die Legende vom ersten Streit des ersten Paares der Welt und ihrer „beeren-süßen“ Versöhnung – und das Auditorium lachte und lachte.

Den namenlosen Schmerz, das Dunkle an der Liebe der Frauen aus Friedhelm Kändlers Liedern „Er sieht aus wie alle anderen“ und „War nicht immer schön“ vermochte Ruth Dilles ebenfalls ergreifend in ihrer Direktheit, ohne stilistisches Firlefanz, zum Ausdruck zu bringen. Beim Singen schlug sie Kapital auch aus ihrer tiefen, spröden Stimme, die aber ungemein berühren kann.

Nicht minder wertvoll war der Beitrag der zwei in der Region sehr bekannten Musiker des Abends: am Piano, wie ein „Imperativ“ eigensinnig, immer wieder kreativ improvisierend, Andreas Dilles, der auch die Arrangements schrieb; sein Gegenpart, der subtile Violinist und Komponist Wolfgang Joho, mit seiner unverwechselbaren instrumentalen Klangfarbe, dem vibrierenden Lyrismus und der Beseeltheit des Spiels.

Im Repertoire standen Stücke wie „Serenata“ von Brian Bonsor, der Zweite Walzer aus Varietésuite von Dmitri D. Schostakowitsch, „Salut d’amour“ von Edward Elgar, „Liebesleid“ von Fritz Kreisler, die spieltechnisch ziemlich anspruchsvollen „Tango Invierno Portena“ von Astor Piazzolla und „Czardas“ von Vittorio Monti. Hinzu kamen Johos Kompositionen „Tango für Nina“ und „Hommage à Emile“ – wunderschöne, musikalische Poeme!

Herzlicher Applaus

Das Publikum genoss sichtlich die Aufführung, wollte Zugaben haben, belohnte die Künstler mit einem langen, herzlichen Applaus. Chapeau! Am Ende blieben einige noch da in trauter Runde bei gastfreundschaftlicher Bewirtung, Sekt, Wein und politischen Gesprächen.