Mit dem Musical „Heute Abend: Lola Blau“ von Georg Kreisler fügte das Kehler Theater der 2 Ufer noch ein äußerst anspruchsvolles Projekt seiner Liste von Sternstunden hinzu. Es wurde im Rahmen der Erinnerungs-Reihe – als geistigen Stolperstein zum 80. Jahresfeier seit dem Ende des zweiten Weltkrieges – in Premiere am Freitag vor einem zahlreichen Publikum aufgeführt.
Für eine Schauspielerin geschrieben, der eine große Verwandlungsfähigkeit abverlangt wird, mit 20 gesangtechnisch ziemlich schwierigen Liedern, entfaltet sich die Geschichte ohne Happyend in einem Dauerspagat zwischen existenzieller Tragik und bitter-bissigem Humor. Das Dreiergespann von bewährten Künstlerinnen – Irina Lehnert (in der Hauptrolle), Gabi Jecho (Regie) und Katharina Keck (Klavierbegleitung) lieferte mit dem Stück eine Bühnen-Topleistung: beeindruckend und künstlerisch absolut professionell, in emotioneller Hinsicht wie ein Erdbeben zerrüttend.
Zum Inhalt
Die jüdische Schauspielerin Lola Blau freut sich 1938 über ihren Vertrag mit dem Linzer Theater und ignoriert Warnungen auch ihres Geliebten Leo, der aus dem Land flüchtet. Der Entlassungsbrief aus Linz beendet jedoch ihren Traum von der großen Theaterkarriere – mit einem „Heil Hitler!“ Lola folgt Leo in die Schweiz. Aber er taucht nicht beim Treffpunkt auf – denn er wurde verhaftet und in einem KZ inhaftiert. Jahrelang wird Lola treu auf ihn warten, überhaupt nichts von seinem Los ahnend.
Nach ihrer Ausweisung aus der Schweiz bleibt ihr nur noch die Auswanderung nach Amerika. In New York wird Lola zur umjubelten „Sexgöttin“: Sie entblößt sich, wird von einflussreichen Männern umworben und als Sexpuppe benutzt. Bis ein Anruf aus Wien kommt: aus dem KZ befreit, Leo findet sie. Lola folgt wieder seinem Ruf, nach Hause. Aber das Zuhause bleibt ihr fremd – die Trümmer erschüttern sie und vielmehr die Tatsache, dass die Menschen sich so verhalten, als wäre nichts passiert. Lola wacht politisch auf, wird zur Kabarettistin, altert jedoch mit der Tristesse und resigniert.
"Geschichte einer Ohnmacht"
„Lola Blau ist im Grunde die Geschichte einer Ohnmacht. Lola steht Antisemitismus ebenso ratlos ohnmächtig gegenüber, wie dem eigenen Judentum. Sie ist ohnmächtig gegen die sturen Schweizer, wütend ohnmächtig gegen die Sex-Karriere in Amerika und am Schluß ist sie wieder ohnmächtig gegen die österreichischen Ewig-Gestrigen“, schrieb Kreisler im Anfang seines Szenario.
1971 in Wien uraufgeführt, bleibt das Stück allerdings mit seiner eindringlichen Botschaft gegen politische Passivität, Mitläufertum und als „Mahnmal gegen Faschismus jeder Couleur zeitlos und es ist wieder im gegenwärtigen internen und internationalen politischen Kontext brisant aktuell geworden“ – so die Meinung der Künstlerteams, im Gespräch mit der Kehler Zeitung.
Kompliment, Hut ab!
Kompliment an Irina Lehnert für ihre ungemein aufwühlende Darbietung – Hut ab! „Ich bin Lola“, sagte sie nach der Aufführung – diese Identifizierung war durchgehend sichtbar und fühlbar: Das Publikum war zutiefst von Lehnerts Schauspiel und Gesang beeindruckt, es litt und freute sich mit ihr zusammen, es lachte und weinte.
Kompliment auch die Pianistin Katharina Keck, an das Multitalent Gabi Jecho für die Regie, und an all die Sprecher der unsichtbaren Stimmen: die Schauspieler Horst Kiss, Herbert Leidenheimer, Chris Möhle, Holger Peter, Antonius Fröhlich, Norbert Großklaus und Jecho. Ebenso Chapeau für die Choreographen und Bühnenbildner Christina Beilharz und Birgit Dehmer, für Chris Möhle (Fotos, Trailer), Olga Anissimova (Gestaltung der Audiostrecken und Gesamtverantwortung für Licht & Ton) und Viktor Bringolf (Tonpult).
Die nächsten Aufführungen: Freitag, 4. April, und Samstag, 5. April jeweils 20 Uhr im Kellertheater Rastatt; Freitag, 9. Mai, um 20 Uhr und Sonntag, 11. Mai, um 18 Uhr im Theater der 2 Ufer in Kehl.