Soziale Medien weder verteufeln noch ihnen verfallen – das ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wie wir sie meistern? Dazu gibt Sabine Trepte Denkanstöße. Die Professorin für Medienpsychologie ist Preisträgerin des Christa Šeric-Geiger Preises 2025.

Perspektiven bieten

„Social Media kann Konflikte anzetteln und schwer Erkrankten Perspektiven bieten. Man kann dort allein sein oder über Nacht zum Star werden”, so erklärt Sabine Trepte die Netzwerke, die zum modernen Leben dazu gehören. Virale Posts, die Wahlen beeinflussen, gewaltverherrlichende Clips auf TikTok und Selbstoffenbarung, die vielen Menschen Gemeinschaft spendet – all das sind soziale Medien. Gefährlich und wertvoll, spaltend und verbindend zugleich haben sie sich für Millionen Nutzerinnen und Nutzer weltweit zu einem unverzichtbaren Teil ihrer Identität entwickelt.

Was macht das mit uns? Wie wirken TikTok, Facebook oder X auf Einzelne und die Gesellschaft? Wie tarieren wir den Wunsch nach Privatheit mit dem Bedürfnis aus, dazuzugehören? Gesehen oder in Ruhe gelassen zu werden? Und warum kommen wir trotzdem so schwer von WhatsApp los?

Dazu forscht die Medienpsychologin nicht erst seit TikTok und Instagram. Sabine Trepte promovierte sich 2001 am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Hochschule für Musik und Theater Hannover, absolvierte ihren Post-Doc Aufenthalt an der Annenberg School for Communication der University of Southern California, L.A. (USA) und führte dort Studien zur internationalen und kulturvergleichenden Mediennutzung durch. Nach Stationen an der Universität Hamburg und der Hamburg Media School ist sie seit März 2013 Professorin für Medienpsychologie an der Universität Hohenheim.

Wie nutzen wir soziale Medien, um Demokratie zu fördern? Wie behalten wir online die Kontrolle über unsere Daten, unsere Privatsphäre, unsere mentale Gesundheit – und bringen das unseren Kindern bei? „Wenn es einem nicht gut geht, sollte man besser auf TikTok verzichten”, erklärt Sabine Trepte 2024 im Magazin „DeinSPIEGEL”. Kurze Videos, haarscharf auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten. Ein Algorithmus, der uns oft besser durchleuchtet als die beste Freundin – das ist die chinesische Social-Media-Plattform, die anfangs durch tanzende Teenager groß wurde. Heute ist sie unter anderem Schauplatz für Wahlkämpfe.

Längst haben Parteien und Interessengruppen die Plattform für sich entdeckt, spielen gezielt Inhalte an ausgewählte Nutzergruppen aus – ohne dass sich die Empfängerinnen und Empfänger dessen bewusst sind. „Die wenigen Menschen, die darüber Bescheid wissen, sagen, dass diese Art von gezielter politischer Werbung nicht akzeptabel ist”, sagt Trepte. Politisches Targeting in den sozialen Medien ist nur eines der Themen, das Sabine Trepte im Rahmen ihrer Forschung beleuchtet.

Mit ihren Erkenntnissen eröffnet sie einem breiten, auch nicht-wissenschaftlichen Publikum immer wieder alltagsnah, wie soziale Medien Einfluss bis ins zutiefst Private – die Psyche – nehmen. Nur mit diesem Wissen kann gelingen, was Trepte als Ziel formuliert: „Soziale Medien zu einem Ort zu machen, in dem es friedlich und gerecht zugeht. Einem Ort, der Menschen gesund macht und ihnen hilft, dieses Angebot als ein genuin soziales zu nutzen und zu begreifen.”

Die Preisträgerin hat sich so der Jury zufolge des Christa Šeric-Geiger Preises 2025 verdient gemacht. Er ist mit 20.000 Euro dotiert.

Hintergrund

Der Preis und seine Stifterin Christa Šeric-Geiger

Mit dem Christa Šeric-Geiger Preis ehrt die Carl-Friedrich Geiger Stiftung seit 2021 jährlich Frauen, die sich auf herausragende Weise in der medizinischen Forschung, in Kunst und Kultur, in kulturellen und sozialen Einrichtungen wie auch für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern verdient gemacht haben. Das Kuratorium kann jährlich wechselnde Schwerpunkte benennen. Der Preis ist dotiert mit 20.000 Euro sowie einer Skulptur des Künstlers Alija Resic.

Für den Preis 2025 konnten sich in diesem Jahr Frauen bewerben, die in der Wissenschaft und/oder Bildung tätig sind. Die Ausschreibung fokussierte sich dabei auf Leistungen in der Forschung oder Lehre, die sich mit den Auswirkungen der Sozialen Medien auf die Gesellschaft beschäftigen.

Die Stifterin: Christa Šeric-Geiger wurde 1944 als Tochter einer Französin und eines Deutschen in Kehl am Rhein geboren. Dort ist sie aufgewachsen in einer Zeit, als die Grenzregion noch geprägt war von der Erinnerung an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Der Brückenschlag über den Rhein und die deutsch-französische Freundschaft wurden in den Jahren ihrer Kindheit und Jugend zum Motor der europäischen Integration. Als Vierzigjährige erlebte sie einen neuen Krieg mitten in Europa, auf dem Balkan.

Auch Angehörige ihres Mannes wurden aus der bosnischen Heimat vertrieben. In Kehl half Christa Šeric-Geiger geflüchteten Verwandten beim Aufbau einer neuen Existenz, der Überwindung ihrer Kriegstraumata. Der Wunsch nach einem einigen, friedlichen Europa wurde durch diese Erfahrungen noch stärker.

Als ihr Vater Carl-Friedrich Geiger starb, übernahm Christa Šeric-Geiger das von ihm aufgebaute weit verzweigte Familienunternehmen (Autohaus mit Tankstelle) und gründete 2006 die Carl-Friedrich Geiger Stiftung.

Sie verschaffte sich Anerkennung und Respekt als Frau in der Autobranche, einer hart umkämpften Männerdomäne.

Sie blieb trotz aller Rückschläge optimistisch, wagemutig und herzlich.

Zum ersten Todestag der Stifterin Christa Šeric-Geiger am 6. März 2020 organisierte die Stiftung die Veranstaltung „In Memoriam“, an welcher der Christa Šeric-Geiger Preis ausgerufen wurde.

Hintergrund II

Preisträgerinnen

Die bisherigen Preisträgerinnen: 2021, Dr. Lisa Federle. Die Tübinger Pandemiebeauftragte wurde am 6. März 2021 mit dem Christa Seric-Geiger Preis ausgezeichnet, für ihr Engagement in der Coronapandemie erhielt sie den zum ersten Mal vergebenen Preis. 2022, Prof. Asifa Ahktar. Sie wirkt am Freiburger Max-Planck-Institut und bekam den Preis für ihre bahnbrechenden Entdeckungen in der Epigenetik der Epigenetik, sie ist ein Vorbild für Frauen in der Wissenschaft. 2023, Marina Bondas. Die Preisträgerin verzauberte als eine der ersten Geigen des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin als Musikerin. Sie engagiert sich für die vom Krieg gequälten Menschen in ihrem ehemaligen Heimatland Ukraine. 

2024, Nomi Baumgartl und Jana Erb. Erstmals ging der Christa Seric-Geiger Preis an zwei Preisträgerinnen. Beide Frauen schaffen mit ihrer Fotokunst Bewusstsein für Klimawandel und Vergänglichkeit – und dokumentieren gleichzeitig die schützenswerte Schönheit der Natur.