






Stimmen: Wie bewerten alte Parteigranden aus Offenburg das Ergebnis der Bundestagswahl?©Michael Kappeler
Erleichterung, Freude, aber auch Schock und Grauen: Bei den befragten politischen Akteuren haben die Wahlergebnisse gemischte Gefühle hervorgerufen.
Edith Schreiner (CDU): Als die ersten Hochrechnungen kamen, hatte ich gemischte Gefühle. Natürlich habe ich mich gefreut, dass die CDU/CSU stärkste Kraft wurde. Aber ich war auch mehr als erstaunt, dass die AfD tatsächlich bei 20 Prozent liegt. Als später klar war, dass es die kleinen Parteien nicht geschafft haben, freute ich mich, dass wohl eine Zweier-Koalition mit der SPD möglich ist. Zum einen ist das gut, weil sich gezeigt hat, dass es mehr als zwei Parteien in einer Koalition schwer haben, eine Meinung zu bilden. Zum anderen würde eine solche Zweierkoalition einen Ruck in Deutschland bedeuten, denn die CDU und SPD sind zwei Kräfte, die sich gut kennen und uns helfen können, aus der schlechten Stimmung im Land herauszukommen. Ich begrüße es, dass die beiden sich vorgenommen haben, relativ schnell eine Koalition zu bilden – gerade mit Blick auf die Großwetterlage in der Welt ist es wichtig, dass wir uns schnell wieder einbringen können.
Bertold Thoma (SPD): Ich habe mir im Vorfeld gesagt, unter 14 Prozent für die SPD wären katastrophal, über 16 wäre passabel. Insofern habe ich Erleichterung empfunden. Als sich dann noch herausstellte, dass die FDP es nicht in den Bundestag schafft, war ich darüber auch nicht unglücklich. Dass die CDU unter 30 Prozent blieb, hat mich überrascht, allerdings finde ich auch, dass die kürzliche Zusammenarbeit mit der AfD bei einer Abstimmung bestraft werden musste. Was mich graust und schreckt ist das AfD-Ergebnis, ich hatte gehofft, dass die Menschen doch noch zur Vernunft kommen. Jetzt wird es wohl eine große Koalition geben. Das finde ich eher nicht so toll. In der Vergangenheit hat die SPD damit nicht den gewünschten Erfolg erzielt und danach immer Federn gelassen. Es ist ja häufig so, dass der Junior-Partner nicht von der Koalition profitiert. Ich hoffe, dass die SPD möglichst viel umsetzen können wird, was in ihrem Wahlprogramm steht, auch wenn das wohl schwierig wird. Insgesamt bin ich der Meinung, dass sich die Partei verjüngen sollte, eine neue Generation muss bei der SPD jetzt an die Spitze.
Knut Weißenrieder (AfD): Wir haben unser Ergebnis verdoppelt und sind daher grundsätzlich zufrieden, aber es hätte gerne auch noch mehr sein dürfen. So wird es wieder eine Regierung werden, bei der sich nichts ändert und auch das von Mama Merkel angezettelte Migrationstheater wird weitergehen. Unser Ziel ist es, künftig ein Ergebnis zu holen, mit dem man an uns bei der Regierungsbildung nicht vorbeikommt. Was eigentlich ja jetzt schon der Fall sein sollte, denn die CDU und SPD haben schon sehr unterschiedliche Vorstellungen. Ich glaube daher auch nicht, dass eine Regierung dieser beiden Parteien volle vier Jahre halten würde. Schade ist, dass Taras Maygutiak kein Mandat geholt hat, denn er hätte unsere Interessen in Berlin gut vertreten. Gemeinderat hätte er dann wahrscheinlich nicht mehr sein können, aber das hätte unsere sechsköpfige Fraktion auffangen können.
Angelika Wald (Grüne): Das Wahlergebnis ist für mich schwierig in Worte zu fassen. Ich finde es jammerschade, dass die Politik der Grünen so schlechtgeredet worden ist, dass das klare Politikziel, nämlich dem Klimawandel entgegenzuwirken, im allgemeinen Verständnis so negativ bewertet wird. Denn es ist nun mal Fakt, dass uns der Klimawandel noch sehr beschäftigen wird. Für mich persönlich ist auch der Umgang mit den Migranten schwierig. Weil ich nicht dafür bin, die Leute auf dem Mittelmeer ertrinken zu lassen. Ich bin besorgt, dass sich dieser Egoismus als Merkmal weiter durchsetzen wird – dass wir unseren Wohlstand bewahren und uns abschotten. Ich kann den versprochenen Politikwandel somit nicht als vorwärtsgerichtet ansehen.
Hans-Peter Goergens (Linke): Meine Gefühle am Sonntag um 18 Uhr waren sehr unterschiedlich. Zum einen erschrak ich furchtbar wegen dem AfD-Ergebnis. Wir haben den ganzen Osten verloren, das ist ja fast wieder eine DDR für sich. Und ich als Gewerkschafter stehe jetzt vor der riesigen Aufgabe, damit umzugehen – wir haben viele treue Mitglieder, die aber gleichzeitig die AfD wählen. Auf der anderen Seite habe ich mich natürlich sehr für die Linke gefreut. Von fast null auf Neun, das ist sehr gut. Jetzt wird sie eine kleine, kräftige Partei in der Opposition sein – wie das allerdings zusammen mit der AfD gelingen soll, ist mir schleierhaft. Die SPD muss sich jetzt berappeln, wo es um Verhandlungen mit der CDU geht. Friedrich Merz kann ich nach der Katastrophen-Abstimmung mit der AfD nicht mehr trauen. Ich kann überhaupt nicht einschätzen, wie es jetzt mit der neuen Regierung weitergeht und ich glaube, das geht vielen so. Insgesamt finde ich: Diese Wahl ist keine tolle Geschichte.
Rita Klee (FDP): Ich habe eine gewisse Enttäuschung gefühlt, als ich das Wahlergebnis gesehen habe. Das zeigt, denke ich, einen Rückzug des Bürgers aus dem Vertrauen in die FDP. Mit Blick auf eine mögliche künftige Regierung befürchte ich, dass sich nicht viel ändert. Wünschenswert wäre, dass sich zumindest die Debattenkultur verändert, aber ich glaube nicht, dass die aktuellen Politiker dazu in der Lage sind. Dass die Landkarten fast ganz schwarz sind, sehe ich als Rückschritt. Lindners Reaktion auf das Wahlergebnis – sein Rücktritt – hat mich nicht überrascht, ich finde sie angemessen.