Der in Deutschland lebende russische Bühnen- und Filmregisseur Kirill Serebrennikow liebt es, das Publikum mit experimentierfreudigen Inszenierungen herauszufordern. Wegen seiner kritischen Haltung gegenüber Wladimir Putin in seiner Heimat geächtet, muss er das seit dreieinhalb Jahren im Exil tun.

Jedem seiner Projekte, egal wo und in welcher Zeit sie spielen, ist anzumerken, dass er damit auch Kommentare zur gesellschaftlichen Lage in Russland gibt. So nun auch die Verfilmung des 2017 erschienenen Romans «Das Verschwinden des Josef Mengele» vom französischen Autor Olivier Guez.

Szenen aus dem späten Leben eines Massenmörders

Wie das Buch, so umspannt der Spielfilm Jahrzehnte. Josef Mengele (1911 bis 1979) ist in den frühen 1940er Jahren als absolut skrupelloser Arzt im Konzentrationslager Auschwitz zu erleben. Dort hat er grausamste medizinische Experimente an Gefangenen durchgeführt und Tausende Menschen in den Tod getrieben. Wofür er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und damit der Hitler-Diktatur nicht zur Verantwortung gezogen wurde.

Bis zu seinem Tod hat er sich in Lateinamerika versteckt. Wobei er skandalöserweise sogar einmal in den späten 1950er Jahren unbehelligt in die BRD ein- und wieder ausreisen konnte.

Mosaikartig zusammengesetzte Szenen aus den späten Jahren des bis zu seinem Tod von der faschistischen Ideologie geblendeten Mengele nehmen den größten Raum des mehr als zwei Stunden dauernden Spielfilms ein. Zu erleben ist ein unbelehrbarer alter Egomane, der einsam und zunehmend paranoid vor sich hinvegetiert.

Ein an Einsamkeit zerbrechender Mann

Was Schauspielstar August Diehl («Bonhoeffer») in einer darstellerischen Tour de Force vorführt. Wobei die Klasse des Akteurs ein Problem ist: Wiewohl in seinen Äußerungen stets der widerlichsten Naziideologie verfallen, wirkt Diehls Mengele doch mit Fortschreiten des Films bedauernswert. Denn zu sehen ist vor allem ein an Einsamkeit und Mangel an Liebe zerbrechender Mann.

Offenkundig will Regisseur Serebrennikow zeigen, wie banal das Dasein eines Monsters sein kann, ohne dies jedoch vordergründig zu betonen. Doch er hat der Figur des Mengele keine starken, sondern allenfalls hilflos anmutende Gegenspieler entgegengesetzt. Das kann Kinobesucher, denen die Historie nicht bekannt ist, Argumente für gefährliches Verständnis für Josef Mengele liefern.

Was historisch falsch und gerade in der von vielen Widersprüchen, Krisen und militärischen Auseinandersetzungen geprägten Gegenwart höchst gefährlich ist. Zwar sind in einer (nachgestellten) kurzen Szenenfolge die Gräuel des Alltags im Konzentrationslager zu sehen. Doch es überwiegt die Darstellung eines zerbrochenen, einsamen alten Mannes. Das ist problematisch, nicht erhellend.

dpa

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