„Als Baby auf Entzug – als Zwölfjähriger außer Rand und Band“. Unter diesem Titel berichtete unsere Zeitung im Januar auf der Familienseite über Alexander Michels aus Stuttgart. Sein Sohn leidet an schweren Schädigungen, die ihre Ursache im Alkohol- und Drogenkonsum seiner Mutter während der Schwangerschaft hatten.
Der 52-Jährige wollte seine Geschichte erzählen, da er findet, dass über die Folgen von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft zu wenig bekannt ist, dass das Umfeld oft falsch reagiert und dass es zu wenig Hilfen für Kinder und Betroffene gibt. Diese Veröffentlichung war für Familie Bathe aus Oberkirch Anlass, sich ebenfalls an die Öffentlichkeit zu wenden. Natalia und Klaus Bathe haben vor fast 40 Jahren im Abstand von wenigen Jahren zwei junge Pflegekinder angenommen. Zuerst kam der heute 38-jährige Peter Bathe in die Familie. Wie seine Pflegeeltern wissen, fuhr seine alkoholisierte, schwangere Mutter mit dem ebenfalls betrunkenen Freund und Vater mit einem Zweirad in einen Graben, was eine Frühgeburt auslöste.
Fataler Alkohol
Das Baby kam über das Jugendamt zu seinen Pflegeeltern. Dass das neue Familienmitglied durch den Alkoholkonsum der Mutter „erhebliche Gesundheitsschäden hat, haben wir gewusst“, sagt Natalia Bathe. „Der Alkohol hat viel kaputt gemacht“, bedauert Klaus Bathe die Fehler der jungen Mutter. Durch Fürsorge und Förderung kann Peter Bathe heute aber lesen, rechnen, schreiben und leichte Arbeiten am PC übernehmen. Zuerst besuchte er ab zwei Jahren den Schulkindergarten im Offenburger Stadtteil Uffhofen für förderungsbedürftige Kinder, kam dann in die Förderschule nach Oberkirch. Im Christlichen Jugenddorf in Offenburg absolvierte er eine Ausbildung als Gartenbaugehilfe. Dann folgte mit der Suche nach einer Arbeitsstelle eine lange, schwierige Zeit. „Ich glaube, ich habe fast jeden Betrieb in Oberkirch angeschrieben“, blickt Natalia Bathe zurück.
Schwieriger Umgang mit Behörden
Schließlich empfahl das Gesundheitsamt den Besuch einer Einrichtung, so dass Peter Bathe ab September 2009 bei der Lebenshilfe arbeitete. Seine erste Beschäftigung dort unterforderte den jungen Oberkircher aber, so dass er nun gerne in die Elektroabteilung wechseln würde. „Diese Beschäftigung ist für ihn zu wenig, in manchen Betrieben ist es aber zu viel. Es ist schwer, für solche Menschen etwas zu finden.“ Aus diesem Grund wünscht sich Natalia Bathe Kontakt mit anderen Betroffenen in der Region, um sich über Probleme austauschen zu können. Nach Einschätzung der Familie wird auch die Bitte um Unterstützung bei den Behörden immer schwieriger. „Ab Corona sind sie eklig geworden“, beschreibt Klaus Bathe die Entwicklung aus seiner Sicht.
Noch heute empfindet es die Familie als Belastung, dass es etwa beim Landratsamt ohne Termin keine persönlichen Gesprächsmöglichkeiten mehr gibt und viele Anfragen gleich am Telefon behandelt werden. Rechtlichen Beistand müssen sich die Pflegeeltern nun in einem ganz anderen Fall holen. Vor wenigen Monaten starb Peter Bathes leiblicher Vater, den er nie kennengelernt hat. Abgebrochen wurde in Absprache mit dem Jugendamt der Kontakt mit der Mutter, nachdem diese in frühester Kindheit ihres Sohnes stets unter Alkoholeinfluss erschienen war. Das wollten die Bathes dem Kind, das sie wie ihr eigenes aufzogen („Er hing von Anfang an an uns“) nicht mehr zumuten.
Widerspruch eingelegt
Jetzt wurde die Vergangenheit aber wieder lebendig, denn Peter Bathe soll 2000 Euro an Beerdigungskosten für seinen Vater bezahlen, der außerhalb des Renchtals lebte. Dagegen haben sie Widerspruch bei den Ämtern eingelegt, „doch bis jetzt können wir hier wenig machen“. Gerne hätten die Bathes in diesem Fall mehr Auskunft, zumal der 38-jährige leidenschaftliche KSC-Fan mit seiner Erwerbsminderungsrente diese Summe kaum aufbringen könnte. Mit seinen wenigen Einnahmen muss er einen Teil der Miete für die gemeinsame Wohnung mit seiner 33-jährigen Pflegeschwester Sonja, die auch bei der Lebenshilfe arbeitet, bezahlen. Beide wohnen direkt neben den Pflegeeltern und müssen von diesen regelmäßig zum Arzt begleitet werden, allein wäre dies nicht möglich. So benötigt Peter Bathe vierteljährlich eine Spritze gegen eine bestimmte Art von Schuppenflechte, die er wechselweise beim Hausarzt oder in Freiburg erhält. Gerne hätten die Bathes psychologische Betreuung für ihre Pflegekinder: Tochter Sonja leidet an Panikattacken, doch viele Praxen lehnen nach Angaben der Bathes Erwachsene mit Behinderung ab.
Um sich besser austauschen zu können, sind sie nun Mitglied in der von Liane Doll gegründeten Gruppe für Eltern mit eingeschränkten Kindern. Um aber für ihre Pflegekinder noch mehr Informationen zu bekommen, würden sich Natalia und Klaus Bathe freuen, wenn ähnlich Betroffene mit ihnen unter ihrer Mailadresse klaus-bathe@t-online. de Kontakt aufnehmen.