Das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren (ECC-Net) kritisiert die vorgeschlagenen neuen Entschädigungsregelungen bei Verspätungen für Flugreisen. „Die geplante Anhebung der Schwellenwerte würde dazu führen, dass bis zu 85 Prozent der betroffenen Passagiere keinen Anspruch auf Entschädigung mehr hätten", warnt Karolina Wojtal, Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) Deutschland mit Sitz in Kehl. Dabei gehören nicht gezahlte Ausgleichszahlungen der Airlines zu den am häufigsten bearbeiteten Verbraucherbeschwerden im ECC-Net.

Bisher haben Fluggäste bei Verspätungen ab drei Stunden, für die die Fluggesellschaft verantwortlich ist, Anspruch auf eine pauschale Entschädigung zwischen 250 und 600 Euro, je nach Flugstrecke. Der Reformvorschlag der EU-Kommission sieht dagegen 250 Euro Entschädigung erst ab fünf Stunden Verspätung vor (bis 3500 km), höhere Beträge ab 400 Euro erst ab Verspätungen von 9 oder mehr Stunden.

"Rückschritt"

„Diese Anpassung ist ein gravierender Rückschritt. Denn die meisten Verspätungen im Luftverkehr liegen zwischen zwei und vier Stunden. Verbraucher würden einen Großteil ihrer Ansprüche verlieren. Und Airlines könnten dazu verleitet werden, Flüge gezielt zu verspäten, anstatt sie zu annullieren, um Entschädigungen zu umgehen", so Wojtal. „Hinzu kommt, dass der Regelungsentwurf die in den vergangenen 20 Jahren ergangene Rechtsprechung des EuGH zu den Fluggastrechten und die darin entwickelten Rechte der Verbraucher nicht ausreichend berücksichtigt. Die EuGH-Rechtsprechung hat in den letzten Jahren maßgeblich zur Stärkung der Fluggastrechte beigetragen“, wird Wojtal in einer EVZ-Pressemitteilung zitiert.

Das ECC-Net mitsamt den Kehler Verbraucherschützern fordert die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, die bisherigen Entschädigungsregelungen für Verspätungen beizubehalten, um finanzielle Anreize für pünktliche Flüge zu setzen. Gefordert wird auch eine stärkere Regulierung von Online-Ticketplattformen, um Verbraucher vor Intransparenz und verzögerten Erstattungen zu schützen. Insbesondere "das Hin und Her zwischen Vermittlern und Fluggesellschaften bei Entschädigungen" müsse beendet werden, heißt es in einer Mitteilung des EVZ. Fluggäste sollten die Möglichkeit haben, ihre Ansprüche direkt bei der Airline geltend zu machen, fordert das ECC-Netz.

Weitere Forderungen, auch aus Kehl: Eine Verpflichtung zur schnellstmöglichen Umbuchung auf alternative Verbindungen, auch mit anderen Airlines. Und eine bessere Insolvenzabsicherung für Airlines, damit Fluggäste bei Zahlungsunfähigkeit nicht leer ausgehen. Zudem: klare Regelungen bei Gepäckverluste und -schäden. Vor allem spricht sich das ECC-Net dafür aus, eine Positiv- und Negativliste der außergewöhnlichen Umstände (also was als außergewöhnlicher Umstand anzusehen ist und was nicht) aufzunehmen, die die bisherige Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofes berücksichtigt.

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