20 Jahre Elternhaus
Dossier: 

»Wir sind unglaublich dankbar«

Thomas Reizel
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11. September 2015
Bernd Rendler aus Oberkirch erlebt 2015 ein für ihn emotional sehr bedeutsames Jahr. Vor 20 Jahren wurde das Elternhaus, vor zehn Jahren der Erweiterungsbau eingeweiht.

(Bild 1/3) Bernd Rendler aus Oberkirch erlebt 2015 ein für ihn emotional sehr bedeutsames Jahr. Vor 20 Jahren wurde das Elternhaus, vor zehn Jahren der Erweiterungsbau eingeweiht. ©Ulrich Marx

Für das Oberkircher Ehepaar Inge und Bernd Rendler sind Jahreszahlen mit einer Fünf am Ende besonders emotional. 1985 bekommt es die Diagnose, dass Tochter Anne-Catrin an Leukämie erkrankt ist. 1995 wird das erste Elternhaus an der Universitäts-Kinderklinik in Freiburg eingeweiht, 2005 das zweite. Und auch 2015 gibt es Grund zum Feiern: Das Elternhaus wird 20 Jahre alt – und ein neues ist in Sicht. Ein Rückblick mit Höhen, Tiefen – und Dankbarkeit.

Heute könnten sich Inge und Bernd Rendler entspannt zurücklehnen und stolz auf ihr Lebenswerk schauen. Doch das Oberkircher Ehepaar wird noch immer nicht müde, sich für krebskranke Kinder, deren Geschwister und Eltern einzusetzen. »Es gibt noch so viel zu tun. Solange wir gesund sind, machen wir weiter«, sagt der Vorstand des Freiburger Fördervereins für krebskranke Kinder im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse.

Es ist der 5. August 1985, als eine ärztliche Diagnose dem Ehepaar den Boden unter den Füßen wegzieht: das 18 Monate alte Kind hat Blutkrebs. »Wir waren geschockt«, erinnert sich Bernd Rendler (72).

Die Tochter muss in die Universitäts-Klinik Freiburg. Das Ehepaar Rendler weiß, dass der Forschung bereits in den 1970er-Jahren mit der Chemotherapie ein Durchbruch in der Krebsbehandlung gelungen ist. Doch in Freiburg ist die Station, auf der Kinder behandelt werden, in einem erbärmlichen räumlichen und personellen Zustand. »Es war eine ehemalige Isolierstation, in Zimmern mit sechs Quadratmetern mussten Eltern bei ihren kranken Kindern zum Teil auf dem Fußboden schlafen, für ein zweites Bett war kein Platz«, berichtet Rendler.

Inge und Bernd Rendler können es nicht fassen: Zu dem Zeitpunkt sind die Uni-Kliniken in Stuttgart, Ulm und Tübingen baulich längst saniert, Freiburg jedoch nicht. Damit aber finden sie sich nicht ab, treten in den bereits 1980 vom Donau-eschinger Amtsgerichtsrat Karl Günther gegründeten Förderverein für krebskranke Kinder ein, gehen an die Öffentlichkeit.

Noch immer erinnert sich Rendler an den ersten Bericht im Offenburger Tageblatt, den der heutige Herausgeber Jürgen Rohn damals als Redaktionsmitglied verfasst hat. »Sind krebskranke Kinder das fünfte Rad am Wagen?«, fragte er mit spitzer Feder. Bei der Klinik-Leitung und dem Personal stößt Rendlers Gang zur Presse nicht unbedingt auf Gegenliebe. Sie wollen zwar Verbesserungen, aber keinesfalls mit Missständen in Zusammenhang gebracht werden. Doch das Oberkircher Ehepaar treibt das nur noch mehr an. »Unser Kind lag wie viele andere auch auf der Station, keiner wusste, wie es weitergeht. Ich war emotional angespannt, aber mir war auch klar: Man darf nicht nur nach dem Staat rufen, wenn man was bewegen will«, erzählt Rendler.

Als großes Glück bezeichnet er, dass er damals den Oberkircher TV-Produzenten Werner Kimmig und Willi Stächele, Bürgermeister von Oberkirch, als Mitstreiter gewonnen hat: »70 000 D-Mark hat damals eine Benefiz-Langspielplatte mit Weihnachtsliedern gebracht, gleichzeitig hat die Landesregierung politisch richtig Dampf bekommen.«

Nur vier Jahre nach der Leukämie-Diagnose von Rendlers Tochter wird die Station »Pfaundler« saniert und erhält einen vom Land finanzierten Anbau. Der Förderverein für krebskranke Kinder steuert 600 000 Mark für die Sanierung des alten Trakts bei, weitestgehend über Kimmig-Aktionen eingespielt. Carmen Nebel und die Chöre der Welt, um nur einige zu nennen.

Als Glücksfall bezeichnet Rendler auch, dass 1988 Matthias Brandis als Ärztlicher Direktor der Universitäts-Kinderklinik kam: »Er hat erkannt, welche Chancen die Öffentlichkeitsarbeit des Fördervereins bietet.« Und als zwei Jahre später Charlotte Niemeyer als Ärztliche Direktorin der Uni-Kinderkrebsklinik Verantwortung übernimmt, erreichte die onkologische Station internationales Ansehen.

Zusammen mit Brandis wurde die Idee geboren, ein Elternhaus zu bauen. An der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf habe es, vom Otto-Versand finanziert, damals das einzige in Deutschland gegeben. »Wir sind hingefahren und wussten sofort, das wollen wir in Freiburg auch«, erinnert sich Rendler.

Es vergehen Jahre, doch 1995 wird es eingeweiht: 3,8 Millionen D-Mark hat das Elternhaus gekostet. TV-Produzent Werner Kimmig hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, ihm war es wesentlich zu verdanken, dass es finanziell machbar wurde. Ein Jahr später gründet sich das Kuratorium. »Es kümmert sich um die Förderung der wissenschaftlichen Arbeit, den Kauf von Geräten, also um den medizinischen Fortschritt«, sagt Rendler.

2004 wird das Haus »Feldberg«, in dem neben krebskranken Kindern unter anderem Forschungsabteilungen und nierenkranke Kinder untergebracht sind, eingeweiht. 970 000 Euro Anschubfinanzierung ermöglichten den dringend notwendigen Neubau.
Doch das Elternhaus platzt 2002 schon wieder aus allen Nähten, der Förderverein plant einen Anbau. Die Mittelbadische Presse unterstützt die Finanzierung mit einer »Leser-helfen«-Aktion, sichert mit rund 400 000 Euro Spenden den Rohbau. Der Anbau wird wegen des enormen Spendenaufkommens »Haus Ortenau« genannt.

Die vom Förderverein für krebskranke Kinder unterstützte Universitäts-Kinderklinik ist trotz der Modernisierungen in die Jahre gekommen, zumal sich immer mehr Patienten wegen der medizinischen und sozialen Angebote in Freiburg behandeln lassen. Wieder sind die Zustände untragbar. »Charlotte Niemeyer ist mit unglaublicher Energie und gegen Widerstand aus dem Klinikum und der Politik für eine moderne Kinderklinik eingetreten«, lobt Rendler.

Nach quälendem Ringen mit dem Land Baden-Württemberg hat es 2014 die Finanzierung für ein Millionen-Projekt im dreistelligen Bereich zugesagt. »2017 ist Spatenstich, spätestens 2020 Eröffnung«, blickt Rendler voraus.
Zu diesem Zeitpunkt wird auch das neue Elternhaus fertig sein, für das die Mittelbadische Presse die Anschubfinanzierung in der »Leser-helfen«-Aktion 2012/13 geleistet hat.

Inge und Bernd Rendler indes zeigen sich nur dankbar. Ihre einstmals leukämiekranke Tochter ist längst gesund, »Wenn wir das sehen, sind wir glücklich und wir wissen, dass sich der ehrenamtliche Einsatz über 30 Jahre gelohnt hat, insbesondere für die vielen Familien, die nach uns betroffen waren. Das ist für uns die Motivation, weiterzumachen«, sagt das Ehepaar.

Und freimütig räumt es ein: »Ohne den tollen Vorstand, in dem wir so vertrauensvoll und konfliktfrei zusammenarbeiten, hätten wir das nie geschafft. Der Erfolg des Fördervereins ist ein Produkt gelungener Teamarbeit und der Großzügigkeit der Bevölkerung«, unterstreichen Inge und Bernd Rendler die Bedeutung der großen Unterstützung.

Hintergrund

Förderverein für krebskranke Kinder

Seit 4. Juli 1980 gibt es den Förderverein für krebskranke Kinder in Freiburg. Heute gehören dem Vorstand Inge und Bernd Rendler, Hans-Peter Vollet, Manuela und Johannes Bitsch, Wolfgang Obleser und Werner Kimmig an. Der Förderverein trägt in erster Linie das Elternhaus, das rund 60 000 Euro pro Monat kostet.

Außerdem hat der Verein ein mit mehr als 50 Vertretern besetztes Kuratorium, das sich hauptsächlich um die Finanzierung von Geräten und Forschung kümmert.

Pro Jahr erhält der Förderverein, dem mehr als 1500 Mitglieder angehören, rund 8500 Spenden, den Löwenanteil bis zu 500 Euro. Insgesamt hat er rund 40 Millionen Euro in die Verbesserung der Uni-Kinderkrebsklinik investiert.
Mit dem Klinikneubau (siehe Stichwort II) muss der Verein ein neues Elternhaus bauen und dafür rund 8,5 Millionen Euro investieren. Darin können Eltern und Geschwisterkinder nicht nur wohnen, sie werden in allen Belangen sozialpädagogisch unterstützt.

Hintergrund

Neubau der Uni-Kinderklinik

Die Landesregierung genehmigt am 6. September 2014 den Neubau der Universitäts-Kinderklinik in Freiburg. Sie wird mit dem kirchlich getragenen St. Josefskrankenhaus fusionieren, das Investitionsvolumen beträgt rund 100 Millionen Euro. Spatenstich ist 2017, die Inbetriebnahme ist für 2020 geplant.

Der Förderverein für krebskranke Kinder wird für 8,5 Millionen Euro ein neues Elternhaus bauen. Es wird in 44 Zimmern bis zu 132 Menschen beherbergen. Übrigens: Wie schon im alten Elternhaus auch können dort auch Angehörige von Kindern mit anderen Krankheiten Platz finden – sofern Betten frei sind.

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