Als klar war, dass es zurückgeht, dass er das All nach sieben Tagen wieder verlassen würde, da zog sich Ernst Messerschmid damals kurz in eine stille Ecke der Raumfähre zurück und dachte an Musik. Was würde am besten passen zum Blick auf den blauen Planeten mehr als 300 Kilometer unter ihm? Ein bisschen Rockmusik? Oder Jazz? «Nein, ich war überzeugt, Mozart muss es sein», sagt Messerschmid heute. «Bei dieser Musik war ich zu Tränen gerührt.»
Insgesamt 112 Mal umkreiste Ernst Messerschmid 1985 mit seinem Team in der US-Raumfähre «Challenger» die Erde. Der Flug macht den gelernten Klempner und Installateur berühmt. Nach Sigmund Jähn (1978) und Ulf Merbold (1983) war er erst der dritte deutsche Astronaut im All.
Wobei er sich selbst wahrscheinlich beim Berufe-Raten nicht so genannt hätte. Er mochte es nicht, dass ihn alle nur als Astronauten wahrgenommen haben. Schließlich sei er zuallererst Wissenschaftler und Ingenieur, sagt Messerschmid, der am 21. Mai 80 Jahre alt wird. Das habe auch die Missionen damals ausgemacht. «Wir wurden über die Wissenschaft zu Astronauten, das war neu damals.»
Astronautensuche im Radio
Dabei hatte er die Entscheidung zur Astro-Karriere eher spontan getroffen - auf einer Fahrt mit dem Auto in die Schweiz. «In einem Interview im Radio wurde erwähnt, dass Astronauten gesucht würden», erinnert er sich im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Die Qualifikationen konnte ich meistern. Und wenn das alles ist, dann mach ich das», habe er sich gesagt.
Das ist es auch, was seinem Nachfolger im All, dem Künzelsauer Alexander Gerst, überaus imponiert: Messerschmid und auch seine Kollegen hätten ihm in den 80er, 90er Jahren als kleiner Junge gezeigt, dass man in Deutschland Astronaut werden könne. «Das hat mich inspiriert, erst Wissenschaftler zu werden und dann meinem Herzen einen Ruck zu geben und zu sagen "Ja, jetzt probiere ich das mal, jetzt bewerbe ich mich einfach mal als Astronaut".» Damals habe er zwar noch gedacht, das seien alles nur Superhelden. «Aber ich habe gemerkt, ganz normale Menschen wie ich können das auch.»
Vom Klempner zum Astronauten
Messerschmid sollte eigentlich Klempner werden und den Betrieb seines Vaters übernehmen. Eine höhere Ausbildung war für einen Handwerker-Sohn kaum vorstellbar. Aber er hatte Glück: Als er beim Vater in die Lehre ging, erkannte ein Berufsschullehrer sein Talent. Er machte Abitur, studierte Physik und Radioastronomie - und setzte sich irgendwann in die «Challenger».
Diese sieben Tage an Bord der Raumfähre machten ihn schließlich berühmt. 76 Versuche musste das Team um Messerschmid während der 165 Stunden im All schaffen: Mediziner wollten wissen, wie die Schwerelosigkeit den Körper beeinflusst. Verfahrenstechniker interessierte, ob sich Kristalle für die Halbleitertechnik im All besser als auf der Erde herstellen lassen. Und Kommunikationstechniker forschten an Atomuhren, die zur Grundlage für die GPS-Technik und somit für heutige Navigationsgeräte wurden.
Vorlesungen über Raumstationen und Astronautik
Schwerelos schaute der Reutlinger zwischendurch, aber insgesamt zu selten auf die Erde herunter. Und ähnlich wie bei Alexander Gerst, der bereits zwei Mal im All gewesen ist, haben die Erlebnisse im Weltraum Messerschmid zum engagierten politischen Menschen gemacht. Astronauten seien «authentische Zeugen des Klimawandels», sagte er, ihre Warnungen fänden Gehör.
Seitdem haben ihn das All und die Raumfahrt nie wirklich losgelassen. Auch nach seiner Pensionierung war er ein, zwei Tage die Woche am Institut für Raumfahrtsysteme der Uni Stuttgart, das er einst geleitet hat. Er kümmerte sich um seine Doktoranden, hielt Vorlesungen über Raumstationen oder Astronautik. «Raumfahrt aus Leidenschaft» hieß eine Vorlesungsreihe.
Messerschmid: «Universum erst zu einem kleinen Teil verstanden»
Spricht Messerschmid von Mond und Mars, dann strahlen seine Augen auch heute noch. Ja, Mars, das wär noch was, vor allem für die Wissenschaft, sagt der Reutlinger. Die Erde habe etwa das Zehnfache der Masse des Mars und sei doppelt so groß, der Mars entwickle sich aber schneller. «Wir könnten dort schon sehen, wie sich die Erde entwickeln wird», davon ist Messerschmid überzeugt.
Ein solches Vorhaben kann aus seiner Sicht aber nur in internationaler Gemeinschaft gelingen. «Gemeinsam kommen wir schneller zum Mars als wenn jede Nation ihr eigenes Süppchen kocht.» Überhaupt sei die Raumfahrt erst ganz am Anfang: «Wir haben schon viel gelernt, aber das Universum haben wir erst zu einem kleinen Teil verstanden.»
Inzwischen setzt Messerschmid für sich andere Maßstäbe als früher. «Ich möchte jetzt eher die Nähe erkunden», sagt der Mann, der einst durchs All sauste. «Und vieles, was ich mache, versuche ich zu Fuß zu erledigen.»