Ortenau
»Wir räumen das Feld nicht«
Thomas Reizel
30. May 2006
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Die Polizeidirektion Offenburg lässt sich von betrunkenen Jugendlichen nicht einschüchtern, auch wenn sie damit drohen, sich an den Boulevard-Fernsehsender RTL zu wenden. Dies ist die Konsequenz aus einer Schlägerei in Schutterwald, die sich übrigens nicht unter den immer gerne pauschal verdächtigten Gruppen abgespielt hat.
Rückblende: Beim Schutterwälder Mairock floss am Wochenende Blut. Gegen 4.20 Uhr wurde am Sonntag die Polizei von der katholischen Jugendgemeinschaft alarmiert. Eine Gruppe von 10 bis 15 jungen Leuten (17 bis 24 Jahre) wollte trotz Aufforderung nicht gehen. »Die schienen alle alkoholisiert und sehr aggressiv«, blickte Adrian Brädle, Leiter des Polizeireviers Offenburg, gestern vor der Presse zurück.
Drei Streifenbesatzungen und einer Hundestaffelbesatzung gelang es zunächst nicht, die Jugendlichen zum Gehen zu bewegen. Stattdessen griffen die Jugendlichen – so stellte es die Polizei gestern dar – verbal praktisch in die unterste Schublade des Fäkalien-Stadels. Außerdem wurde gedroht, sich – wie es andere Jugendliche nach einer Eskalation am Offenburger Schillergymnasium getan hatten – an den Boulevard-Fernsehsender RTL zu wenden. »Dann haben wir einen Diensthund aus dem Auto gelassen«, erinnert sich Brädle. Danach war die Gruppe gerade dabei, sich aufzulösen, als plötzlich ein 24-Jähriger, der zum Kreis der Veranstalter gehörte, in die Gruppe rannte und losschlug. »Es entstand eine Schlägerei, die Beamten entschieden sich, Pfefferspray einzusetzen«, berichtete Brädle weiter.
Polizeichef Reinhard Renter stellte sich hinter die Beamten. »Sie haben sehr professionell gearbeitet.« Denn Pfefferspray sei das mildeste Mittel. Die Beamten hätten auch zu Hiebwerkzeugen greifen oder den Hund loslassen können. Der hätte auch gebissen, aber die Beamten wollten niemanden ernsthaft verletzen.
Das aber taten jugendliche Schläger. Gegen 1.30 Uhr hatte einer einen Nasenbeinbruch, einen abgesplitterten Zahn, blaue Flecken, gegen 4 Uhr ein anderer eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde am Kopf. Erst danach wurde die Polizei gerufen.
Zu blau für Vernehmung
Gegen 6.10 Uhr tauchte eine Mutter mit ihrem 19-jährigen Sohn bei der Polizei auf – Anzeige, weil er im Getümmel Pfefferspray abbekommen habe. Die Polizei wird der Sache nachgehen, auch wenn der Sohn bei seinem Eintreffen nicht vernommen werden konnte: Er war dafür mit 1,4 Promille einfach zu betrunken.
Reinhard Renter machte klar: »Es gibt einfach Grenzen. Wir lassen uns nicht beleidigen, und wir werden auch in Zukunft das Feld nicht räumen.« Außerdem stellte er fest, dass nicht Aussiedler oder Ausländer geschlägert hatten: »Die Gewalt schwappt auf ganz normale Schutterwälder über.«
Philipp Ludäscher (22), Leiter der Jungkolpinggruppe, sagte gestern: »Die Polizei hatte mehrmals gefordert, dass die Leute das Gelände verlassen. Der Einsatz von Pfefferspray war gerechtfertigt – die Alternative wäre nur gewesen, Schlagstöcke einzusetzen oder die Hunde loszulassen.«
Kommentar
Das soll einer verstehen: Reizthema Pfefferspray
Das muss man sich mal vorstellen: Ein 19 Jahre alter Schutterwälder hielt sich beim Mairock dort auf, wo die Fäuste flogen. Er bekam etwas Pfefferspray ab. Zweieinhalb Stunden später steht er, noch 1,4 Promille im Blut, mit seiner Mutter (!) bei der Polizei und zeigt die Beamten wegen des Pfeffersprays an. Das ist verkehrte Welt. Ein Haufen Alkoholisierter schlägt um sich. Einer Gast erlitt zuvor schon, da war die Polizei noch gar nicht da, einen Nasenbeinbruch, ein anderer eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde. Die Polizei wurde gerufen, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Das fiel ihr schwer genug. Was wohl die Mutter getan hätte, wenn ihr betrunkener Sohn verprügelt worden wäre? Wir wissen’s nicht, vermuten aber: nach der Polizei geschrien.