Arzt erklärt, wie man im Sommer den Kältetod sterben kann
Der Leichenfund am Mittwochabend in Offenburg beschäftigt die Menschen. Es kristallisieren sich vor allem zwei Fragen heraus: Wieso ist der Mann bei den sommerlichen Temperaturen den Kältetod gestorben, und weshalb hat den Mann niemand bemerkt, als er im Gestrüpp lag?
Vor allem auf Facebook schlägt der Fall hohe Wellen. Heftig diskutiert werden im Wesentlichen zwei Fragen. Die erste, wie es möglich ist, bei diesen Temperaturen an Unterkühlung zu sterben.
Ulrich Geiger, Allgemeinmediziner aus Offenburg und Vorsitzender der Kreisärzteschaft, erklärte das auf Anfrage der Mittelbadischen Presse ganz allgemein, ohne auf den Toten aus Offenburg einzugehen, der am Mittwochabend in einem Gestrüpp nahe des Offenburger Bahnhofs entdeckt worden war: »Den Kältetod sterben kann man schon, wenn man längere Zeit selbst bei zehn Grad plus ungeschützt im Freien liegt.«
Gefährdet ist bereits, wer bei schönstem Wetter in die Berge geht und keine warme Kleidung mitnimmt. Bei einem Wetterumschwung könne es schnell 15 Grad und mehr kälter werden: »Dann hat man keine Handlungsmöglichkeit mehr.« Wie lange es dauert, bis der Tod eintritt, hänge von vielen Faktoren ab, etwa, ob jemand mit nasser Kleidung in Zugluft liegt oder nicht. Erschwerend könne sich Genuss von Alkohol auswirken. »Er erweitert die Gefäße, die Haut wird besser durchblutet, doch dadurch kühlt das Blut schneller ab und damit sinkt die Körpertemperatur«, erklärt Geiger. Außerdem setze viel Alkohol die Steuerungsfähigkeit herab.
Blut geht nach innen
Bei 35 bis 32 Grad fängt der Körper an zu zittern und Blut nach innen zu ziehen, um die Organe vor Kälte zu schützen. Die Folge: Finger und Zehen werden kalt. Ab 32 Grad setzt Bewusstseinstrübung ein. Fällt die Körpertemperatur auf 30 bis 28 Grad, stellt der Körper viele Aktivitäten ein. »Es kann jetzt zu Herzrhythmusstörungen und Atemstillstand kommen«, berichtete der Vorsitzende der Kreisärzteschaft.
Ab einer Körperkerntemperatur von unter 26 Grad werden Funktionen so beeinträchtigt, dass so unterkühlte Menschen meist sterben. Erfrierungen dagegen bezeichnen lokale Kälteschäden durch Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, etwa an Händen, Füßen oder Ohren
Gelände nicht einsehbar
Die zweite Frage, mit der sich die Menschen befasssen, ist, wie es geschehen konnte, dass der Leichnam über längere Zeit an dem späteren Fundort lag, ohne dass jemand den Menschen bemerkt hat, sei es lebendig oder tot. Patrick Bergmann, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Offenburg, sagte dazu: »Das Gelände war von außen nicht einsehbar. Hier kann man niemandem einen Vorwurf machen.« Natürlich fange ein Leichnam irgendwann an zu riechen. »Aber wer Leichengeruch nicht kennt, merkt nur, dass es unangenehm riecht. Und wer Leichengeruch kennt, muss nicht auf einen Menschen schließen, es könnte auch ein größeres Tier sein«, ergänzte der Polizeipressesprecher.
Toter nur zufällig gefunden
Miriam Kümmerle, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Offenburg, bestätigte, dass der Fundort an der Rammersweierstraße von außen nicht einsehbar war. »Dass der Tote gefunden wurde, ist auch nur Zufall, weil ein Mann dort ins Gebüsch wollte, um auszutreten«, sagte sie. Zwar habe der Tote schon ausgedünstet, doch wer in der Stadt lebt und den Geruch wahrnimmt, denkt nur, das es übel riecht, ähnlich verrottendem Abfall.
DNA-Analyse läuft
Bei dem Toten handelt es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um einen 48-Jährigen, der im Raum Freiburg Patient in einer Psychiatrischen Fachklinik war und seit 16. Juni vermisst wurde. »Es fehlt nur noch die Bestätigung durch eine DNA-Analyse«, teilte ein Polizeisprecher in Freiburg auf Anfrage der Mittelbadischen Presse mit. Wie lange der leblose Mann an der Rammersweierstraße lag, ob er vor seinem Tod unter Einfluss von Alkohol und Medikamenten stand, all das sind Fragen, die die Rechtsmedizin in den nächsten Tagen klären muss. Unterdessen fragt sich die Polizei, wie er an den Fundort kam.