Kriminelle Kinder und Jugendliche im Südwesten

Justizministerin will Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters prüfen

Von Oliver Schmale
Lesezeit 4 Minuten
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15. April 2024
Nach dem Gesetz sind Kinder unter 14 Jahre nicht strafmündig – ob an der Altersgrenze festgehalten wird, soll auf der Justizministerkonferenz diskutiert werden.

(Bild 1/2) Nach dem Gesetz sind Kinder unter 14 Jahre nicht strafmündig – ob an der Altersgrenze festgehalten wird, soll auf der Justizministerkonferenz diskutiert werden. ©Fotostand / K. Schmitt via www.imago-images.de

Wenn Kinder in Deutschland Straftaten begehen, müssen sie sich erst ab 14 Jahren verantworten. Die Justizministerin und der Innenminister drängen auf eine Überprüfung der über 100 Jahre alten Regel.

Stuttgart. Die Justizministerkonferenz soll sich nach dem Willen der baden-württembergischen Ressortchefin Marion Gentges (CDU) mit der gesetzlichen Strafmündigkeit befassen. Gentges sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart: "Die Altersgrenze von 14 Jahren stammt aus dem Jahr 1923. Es ist nicht richtig, an einer hundert Jahre alten Regelung festzuhalten, einfach, weil es schon immer so war."

Der Südwesten werde deshalb auf der Justizministerkonferenz Anfang Juni in Hannover einen Antrag einbringen, um Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dazu zu bringen, das Thema anzupacken. "Ich erwarte, dass der Bund, der für das Strafrecht zuständig ist, sich jetzt ganz konkret anschaut, ob die Strafmündigkeitsgrenze herabgesetzt werden muss".

Nach dem Gesetz sind Kinder unter 14 Jahre nicht strafmündig. In den letzten Jahren sei die Kriminalität unter Kindern erheblich gestiegen, sagte Gentges. "Wenn außerdem nach schlimmen Straftaten bekannt wird, dass ein Kind vor seiner Tat Informationen zur Strafmündigkeitsgrenze gegoogelt hat – und das war in der Vergangenheit der Fall – dann muss uns das zu denken geben". Notwendig sei eine wissenschaftliche Grundlage, um zu bewerten, welchen Entwicklungsgrad 14-Jährige heute hätten.

Früher reif

Die CDU-Politikerin sagte, im Bereich des Wahlrechts forderten manche Parteien ständig eine Herabsetzung des Wahlalters und begründeten das damit, dass Minderjährige heute viel früher die notwendige Reife und Vernunft hätten als in der Vergangenheit. "Wenn das richtig sein soll, dann muss das erst recht für die Frage der Strafmündigkeit gelten! Mit 16 Jahren wählen zu dürfen, aber sich zwei bis drei Jahre zuvor noch nicht einmal für eigene Straftaten verantworten zu müssen, das passt nicht zusammen".

Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte sich bei der Vorstellung der Kriminalstatistik am vergangenen Donnerstag besorgt über den Anstieg der Jugendkriminalität gezeigt. So sei die Zahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren um 13,7 Prozent auf ein Zehnjahreshoch gestiegen. Besonders besorgniserregend seien Mehrfachtäter, sagte Strobl. Ein Viertel der Tatverdächtigen seien Mehrfachtäter mit mindestens zwei Straftaten. "Ein kleiner Anteil junger Menschen ist also für eine Vielzahl von Straftaten verantwortlich", sagte Strobl.

Laut Kriminalstatistik stieg die Zahl der tatverdächtigen Kinder unter 14 Jahren zwischen 2014 und 2023 um gut 40 Prozent an. Die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen blieb im gleichen Zeitraum stabil, die der Tatverdächtigen unter 21 Jahren ging sogar zurück.

Man müssen sich ein Absenken der Altersgrenze für die Strafmündigkeit zumindest wissenschaftlich anschauen, forderte Strobl. Die Festsetzung der Altersgrenze auf 14 Jahre sei im Jahr 1923 wissenschaftlich nicht exakt begründet gewesen. "Es könnte doch sein, dass ein 14-Jähriger heute ein anderer ist als ein 14-Jähriger damals. Da hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel verändert", sagte Strobl.

In der Schweiz, in England, in Wales und in Nordirland liege die Altersgrenze etwa bei zehn Jahren, in den Niederlanden bei zwölf. "Entscheidend muss doch sein: Ab welchem Alter ist sich jemand der Folgen seines Tuns und Lassens so bewusst, dass er dafür strafrechtlich die Verantwortung übernehmen muss", betonte Strobl.

Gemeinsam mit Justizministerin Gentges habe er dazu bereits vor einem Jahr Bundesjustizminister Buschmann und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angeschrieben – und eine entsprechende Studie vorgeschlagen. "Die Bundesregierung hat hier ein Tätigwerden abgelehnt – das ist ein schwerer Fehler, sich in einer solchen Frage vorsätzlich blind und taub zu machen. Nicht einmal zur wissenschaftlichen Untersuchung ist die Bundesregierung bereit und schaut weg", sagte Strobl. Dafür habe er kein Verständnis.

Delikte als Warnzeichen

Während die CDU Zweifel an der Strafmündigkeit mit 14 Jahren hegt, sieht man das bei den Grünen im Landtag anders. Wenn die Zahl der Delikte bei Kindern und Jugendlichen steige, sei das ein klares Warnzeichen, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Daniela Evers. "Doch bevor wir über Strafen nachdenken, sollten wir uns doch fragen, welche Faktoren im Leben junger Menschen dazu führen, dass diese auffällig werden".

Man müsse mit Präventionsmaßnahmen, Elternarbeit und der Stärkung der Kinder- und Jugendhilfe verhindern, dass Kinder und Jugendliche auf schiefe Bahnen gerieten. "Die Absenkung der Strafmündigkeit ist jedenfalls nicht die Lösung in dieser Situation", sagte Evers.

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