Gamedesigner bei »Black Forest Games«
Bevor ein Computerspiel zu Hause über den Bildschirm flimmern kann, hat Stefan Schmitz jedes kleine Detail durchdacht, entworfen und mit seinem Team umgesetzt. Als Gamedesigner bei der Offenburger Firma »Black Forest Games« ist er der Architekt der
virtuellen Welten.
Ein Gewirr aus Kabeln schlängelt sich über den Schreibtisch im Großraumbüro in der Offenburger Hauptstraße. Vorbei an Getränkedosen, bunten Plastikfiguren, hinweg über Zeichnungen. Das Herzstück von Stefan Schmitz’ Arbeitsplatz sind aber die beiden großen Computerbildschirme. Auf ihnen behält er den Überblick, wie weit das aktuelle Projekt schon fortgeschritten ist. Stefan Schmitz ist Gamedesigner beim Spieleentwickler »Black Forest Games«.
»Ich bin quasi der Architekt des Spiels«, erzählt der 29-Jährige, der mit Vollbart und »Black Forest Games«-Shirt tatsächlich ein wenig so aussieht, wie man sich Computerexperten vorstellt. Auf dem linken Monitor huschen Zeichnungen und Buchstabenketten vorbei, als Schmitz am Mausrad dreht. »Das ist meine Bibel«, erläutert er. Auf rund 140 Seiten hat er den Bauplan für sein aktuelles Projekt »Microminds« niedergeschrieben. Es ist eine Herausforderung für Schmitz, denn zum ersten Mal soll ein Handy-Spiel mit einem Brettspiel verbunden werden.
Wie lässt sich das technisch umsetzen? Welche Geschichte soll erzählt werden? Bis wann müssen die Soundeffekte fertig sein? Haarklein hat der Berliner alles dokumentiert. Denn anders, als das Klischee vermuten lässt, sitzt Stefan Schmitz nicht einsam vor dem Computer. Vielmehr ist der Gamedesigner mit seiner Bibel das Bindeglied zwischen Programmierern, Grafikern, Geräuschemachern. Immer wieder sind Absprachen nötig, Änderungen müssen umgesetzt werden. Schmitz wacht darüber, dass die Spieler zuhause in den Wohnzimmern nichts von der Arbeitsteilung mitbekommen. Dass die virtuellen Welten wie aus einem Guss über die Bildschirme flimmern.
Stefan, wir brauchen dich hier«. Schmitz’ Kollege unterbricht unser Gespräch. Aus gutem Grund: Einige Mitarbeiter von »Ravensburger« sind nach Offenburg gekommen. Sie wollen sich auf den neuesten Stand bringen lassen. Schmitz verabschiedet sich »bis später«, wirkt angespannt. Schließlich finanziert der Spielehersteller das Projekt »Microminds«.
Zeit, eine Runde »Giana Sisters – Twisted Dreams« an einem der vielen Computer zu spielen. Die Fortsetzung des Spieleklassikers aus den Achtzigern war vor zwei Jahren der erste Erfolg des Offenburger Spieleentwicklers. Schmitz hat dafür die Spielwelten entworfen. Geschichten zu erzählen, das habe ihn schon immer fasziniert, erzählt der gebürtige Mühlheimer später. Zu dem Online-Rollenspiel »World of Warcraft« hat er selbst einige Episoden, sogenannte »Fan-Fiction«, geschrieben. Zum Offenburger Spieleentwickler, der damals noch unter dem Namen »Spellbound« firmierte, kam er vor sechseinhalb Jahren als Spieletester. Dass er den Weg in die Computerspiele-Branche genommen hat, verdankt er seiner Schwester. Entgegen dem Wunsch des Vaters, der in ihm einen Piloten sah, ermutigte sie den bulligen Kerl an der Berliner Games Academy, einer Privatschule der Computerspieleindustrie, zu studieren.
Geschickt hangelt sich die Spielfigur, eine Hexe, durch die bonbonfarbenen Comic-Welten. Sammelt Gegenstände, wehrt sich gegen ebenso fantasievolle Monster. Doch plötzlich wird sie in die Zange genommen – »Game Over« leuchtet in großen Lettern auf dem Bildschirm auf. Gerade rechtzeitig kommt Stefan Schmitz zurück von seiner Präsentation. Er ist erleichtert. Die Leute von Ravensburger sind zufrieden. »Es gab kleinere Missverständnisse, die haben wir jetzt geklärt«, sagt Schmitz. Zurück an seinem Arbeitsplatz mit den zwei Bildschirmen demonstriert er den Level-Editor. Ein Klick hier, ein Tastendruck dort – Schmitz nimmt an den Spielwelten kleine Änderungen vor. Einige Mausklicks später flimmert das Ergebnis über den Bildschirm: Knuffige Aliens, die auf der Erde eine Bruchlandung hingelegt haben. Vier verschiedene Welten soll es im fertigen Spiel geben, zwei davon sind fertig. Für Schmitz und sein Team bleibt also noch viel Arbeit.
Der Zeitplan ist immer eng gesteckt«, erzählt er von seinen Erfahrungen in der Computerspiele-Industrie. »Der Markt ist hart«, immer öfter drängten Studententeams und Hobbyprogrammierer in den Bereich. Anfangs habe ihm das ganz schön zugesetzt. Der Druck, in wenigen Tagen Konzepte aus dem Nichts zu zaubern. Heute sagt er: »Bei guter Organisation wird es nur zu den Abgabeterminen stressig.«
Schmitz’ Begeisterung ist auch nach sechseinhalb Jahren nicht gewichen, obwohl viele in der Branche nach spätestens fünf Jahren aufgeben. Es ist eine Faszination für virtuelle Welten, die ihn schon früh angesteckt hat. Das unterstreicht eine Anekdote aus seiner Kindheit: »Ich war neun Jahre alt, als ich mit meinen Eltern in den Urlaub gefahren bin. Weil ich meinen Gameboy nicht mitnehmen durfte, habe ich die Spielfiguren einfach nachgezeichnet und Papierprototypen gebastelt.« Super Mario, Megaman – die Figuren der Videospielklassiker sind auch Schmitz’ Helden, die ihn bis heute nicht loslassen. Auch nach Feierabend sitzt er gerne noch mit den Kollegen vor dem Fernseher, um die neuesten Spielehits auszuprobieren. Ein bisschen sei das ja auch sein Job, schiebt er nach, schließlich müsse er sich über die Entwicklungen in der Branche auf dem Laufenden halten.
An manchen Abenden aber bleibt die Spielekonsole aus. Dann taucht er mit Freunden ein in mystische Welten. Statt Tastatur und Gamepad bestimmen Papier und Stift die Abenteuer. Was aber bleibt, ist seine Begeisterung fürs Geschichtenerzählen.