Bäumchen wechsel' dich
Einmal im Jahr gibt es bei den Technischen Betrieben Offenburg (TBO) Obstbäume. Die alten Sorten für Streuobstwiesen sind begehrt: Hobbygärtner stehen dafür gern Schlange.
Auch Ortsunkundige finden den Weg spielend – man muss an diesem Samstagmorgen einfach nur den Autos mit Anhänger hinterherfahren. Dann kommt man zuverlässig zu seinem Obstbaum. Bei den Technischen Betrieben Offenburg (TBO) stehen rund 300 Hochstämme abholbereit. Jahr für Jahr bieten die Stadt Offenburg und der BUND Hohberg diese Aktion an. Hohe Bäume mit alten Sorten sollen das Charakteristische der Landschaft erhalten und Tieren ein Refugium bieten. Wo normalerweise die Einfahrt für Unbefugte verboten ist, drängen sich an diesem Morgen Autos mit Anhängern, Geländewagen, ein Unimog und sogar ein Lastenfahrrad auf dem Hof der TBO. Highlife um 8.30 Uhr – schließlich sollen die Bäume am besten gleich gepflanzt werden.
»Die Aktion findet diesmal wieder besseren Zuspruch«, freut sich Hans-Jürgen Gebhardt. Der Vorsitzende des BUND Hohberg hat in diesem Jahr für sich selbst nichts bestellt. »Leider, aber wenn die Wiese voll ist, ist sie halt voll!« Trotzdem stehen 122 vorbestellte Bäume auf seiner Liste, doppelt so viele wie im Vorjahr. Er flitzt zwischen den Trenngittern in der TBO-Halle umher, um die Bäume für die Kunden zusammenzusuchen. Das ist nicht immer ganz einfach, weil die Hochstämme alle kahl sind. Dennoch: »Apfelbäume sind am Beliebsteten«, sagt er. Sechs verschiedene Sorten konnten geordert werden, zudem wurden Birnen-, Zwetschgen- und Mirabellenbäume angeboten. »Pastorenbirne und Mirabellen waren ebenfalls sehr gefragt«, informiert Gebhardt.
Kaum wird es ein bisschen ruhiger, kümmert er sich um die Logistik für die »Zutaten«: Jeder Baum wird mit Pfahl und Strick verkauft, und allmählich gehen die vorgeschnittenen Hanfseile zur Neige. Die braucht der neue Besitzer, um den Baum nach dem Pflanzen zu stabilisieren – sonst wächst dieser schlecht an, »weil die feinsten Wurzeln bei Wind immer abreißen würden«.
Vor dem Tisch des Fördervereins Ortenauer Streuobst Anbau (Fosa) steht aktuell noch eine lange Schlange. Stefan Schrempp hat alle Hände voll zu tun – auch, weil einige Namen von Interessenten nicht auf der Liste standen. Das Vereinsmitglied, das normalerweise Schnittstelle zu den TBO ist, hatte einen Unfall. »Dadurch sind offensichtlich einige Bestellkarten nicht richtig angekommen«, bedauert Schrempp. Aus den Offenburger Ortsteilen gibt es zudem Rückfragen – man hatte den Bestellschein in den Gemeindeblättern vermisst.
Insgesamt werden an diesem Tag 144 Bäume ausgegeben. Einige Gärtner schnappen sich ihre Ware gleich, verfrachten diese auf den Anhänger und fort geht’s an die Arbeit: Man will die Bäumchen so rasch wie möglich in den Boden bringen. Mehrheitlich reihen sich die Baum-Käufer aber in die nächste Schlange ein.
Diese ist bei Hansjörg Haas, der für den ersten Schnitt der Bäume und die Unterhaltung seiner Zuschauer sorgt. Der Fachmann von der Beratungsstelle »Obst- und Gartenbau« des Landratsamts setzt die Schere radikal an. Im Akkord purzeln Äste zu Boden – bei manch einem Baum alle. Die Kenner und Könner bleiben da gelassen, die Neulinge in Sachen Hochstamm bekommen indessen große Augen. Aber: »Man muss gründlich schneiden, schließlich sollen die Äste später einmal 100 Kilo Äpfel tragen«, weiß Haas.
Später – das wird in sieben oder acht Jahren sein – der Hochstamm ist etwas für Generationen. Doch sei es aus Unwissenheit: Vieles sei verloren gegangen, weil immer mehr den schnellwachsenden kleineren Bäumen den Vorzug geben, meint Haas. Vielleicht sei es auch die heimliche Hoffnung, ein Jährchen früher an die süßen Früchte zu kommen: »Die meisten schneiden den Baum beim ersten Schnitt viel zu zögerlich.« Selbst diejenigen, die an seinen speziellen Hochstammschnittkursen teilgenommen haben, beobachtet Haas. Seine Sprüche haben Unterhaltungswert, einige aus der Schlange gehen danach noch einmal an den Infotisch zurück, um weitere Unterlagen mitzunehmen – schließlich kann man beim Landratsamt auch Schnittkurse buchen. Eine derjenigen, die leer ausgegangen ist, will gern einen Kurs besuchen – dann ist sie für den nächsten Anlauf gerüstet. »Ich probiere es halt mal«, sagt sie, die Wiese gibt es schließlich schon, und weil einige alte Bäume entfernt werden mussten, sollen nun baldmöglichst wieder neue gepflanzt werden.
Haas blickt mit geschultem Auge auf die Bäume, oben in die Krone, und dann geht es los: Die Ästchen sammeln sich zu seinen Füßen. Erich Vieser von der Bürgerinitiative Umweltschutz Offenburg (BUO) sorgt wieder für Ordnung: Gemeinsam mit seinem Pflegekind sammelt er die Wellen, die kleinen Ästchen, auf. »Jetzt könnte man noch einen Kurs fürs Wellenmachen brauchen«, flachst er.
Marin Wetterer, der seine beiden Nichten an diesem Morgen mitgebracht hat, steht ebenfalls in der Reihe. Die Mädchen tragen jeweils einen Baum, er hat drei. »Das ist gut fürs Ökosystem«, findet er. Nach fünf Jahren Pause pflanze er wieder neue Bäume. »Aber ich sehe das mit anderen Augen, ich bin Imker«, sagt er.
Andere wollen künftig lieber Schnaps brennen: Sie laden neben der Pastorenbirne auch eine Zwetschge und drei Mirabellenbäume ein. Bislang, so die einhellige Meinung, seien alle Bäume bestens angewachsen. Hansjörg Haas bestätigt eine »einheitliche Qualität« der Bäume. Dennoch sind Pflanztipps gefragt. Haas rät zu einem Wurzelgitter. Und nein, Weizenkörner gibt man nicht hinzu, weil sie beim Keimen Wärme erzeugen. »Ihre Pflanzenhormone, regen das Wurzelwachstum an.«
Allmählich sind die Bäume aus den ersten Nischen in der TBO-Halle ausgeräumt, die Reihen mit Menschen lichten sich, die Liebhaber von Hochstammbäumen sind eher Frühaufsteher. Wer den Samstag gemütlich angehen lassen will, kann noch bis 12 Uhr vorbeikommen. Den Baum gibt es dann inklusive Unterhaltung und Pflegetipp.