Interview mit Walter Nock aus Zell, 27 Jahre lang THW-Landessprecher:

THW im Katastrophen-Einsatz: »Die Bilder bleiben im Kopf!«

Dietmar Ruh
Lesezeit 6 Minuten
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30. March 2017

Walter Nock vor seinem Haus in Zell a. H. Die Uniform wird dem THW-Ehren-Landessprecher sicher noch eine Weile gute Dienste leisten. ©Dietmar Ruh

Im Rahmen eines Festaktes in der Böblinger Wildermuth-Kaserne der Polizei wurde am Samstag Walter Nock (67, Foto) aus Zell a. H. nach 27 Jahren als THW-Landessprecher verabschiedet und ist nun Ehren-Landessprecher. Nock steht wie kaum ein anderer fürs Technische Hilfswerk, dem er seit dem 18. Lebensjahr angehört und dessen Ziele er lebt. 

Walter Nock, »Mister THW«, ist vielen Zellern neben dem Ehrenamt auch durch seinen Beruf bekannt: Nock arbeitete von der Lehre bis zum Ruhestand bei der Telekommunikationsabteilung der Deutschen Bundespost, aus der 1995 die Telekom hervorging.
Im Interview spricht er über Herausforderungen beim THW und bewegende Momente.

 

Herr Nock, Sie hören nach 27 Jahren als THW-Landessprecher auf. Was macht ein Landessprecher?


Walter Nock: Der Landessprecher ist der von der Basis gewählte Ehrenamtsvertreter. Er vertritt die Interessen des Ehrenamtes, der Basis, gegenüber dem Hauptamt, dem Bundesministerium des Innern und der Politik. Das THW besteht zu zwei Prozent aus hauptamtlichem Personal und zu 98 Prozent aus Ehrenamtlichen, in Baden Württemberg sind das rund 11 000.


Irgendwann haben Sie sicher – wie alle – als THW-Helfer angefangen. Wie alt waren Sie da und wie sind Sie darauf gekommen?


Nock: Mit Vollendung meines 18. Lebensjahres bin ich in den THW-Ortsverband Biberach/Baden  eingetreten. Aufs THW wurde ich durch Freunde aufmerksam.


Andere spielen Fußball oder gehen zur Feuerwehr. Warum gerade das THW?


Nock: Ich wollte nicht zur Bundeswehr und damals war das THW noch ein Ersatzdienst.


Das THW hilft auch bei Katastrophen in aller Welt. Schaut man die Nachrichten im Fernsehen mit anderen Augen, wenn die THW-Uniform im Schrank hängt?


Nock: Mit Sicherheit, denn man kennt ja diese Situationen und hat schon unzählige Erfahrungen in dem Bereich gemacht. Man kann sich sehr gut in die Lage der betroffenen Menschen versetzen.
Wie oft waren Sie bei Auslandseinsätzen und was waren ihre bewegendsten Momente? Wo war die Not am schlimmsten?
Nock: Ich war bei folgenden Einsätzen im Ausland dabei:
◼ Sturm Lothar im Dezember 1999/Januar 2000 in Troyes, Arès und Bordeaux (Frankreich).
◼ Erdbeben in Bhuj (Indien) 2001. Es gab 30 000 Tote.
◼ Hilfsgütertransport nach  Mostar (Bosnien/Herzegowina) 2003. 
◼ Hilfsgütertransport nach Kabul (Afghanistan) 2003.
◼  Hochwassereinsatz Arles/Rhonetal  (Frankreich). 
Wo die Not am schlimmsten war, ist schwierig zu beantworten, da jeder die Situation anders einschätzt. 
Was mir jedoch am stärksten unter die Haut ging, war das große Hochwasser an der Elbe. Da war ich über fünf Wochen im Großraum Dresden/Leipzig/Pirna im Einsatz. Wahrscheinlich war dies so, da es sich um eigene Landsleute gehandelt hatte und das Ausmaß der Katastrophe das bisher bekannte Maß bei weitem übertroffen hatte. Alles, was hier an der Katastrophenschutz-Schulen gelehrt wurde und sich niemand in den Dimensionen vorstellen konnte, war hier traurige Tatsache. Die Bilder und damaligen Erfahrungen gehen niemals mehr aus dem Kopf. 


Wie kommen THW-Helfer von Einsätzen in größter Not zurück? Wer hilft bei der Verarbeitung des Erlebten?


Nock: Jeder Einsatz in solchen Schadengebieten ist enorm belastend. Wichtig ist deshalb, die Einsatzkräfte auf solche extreme Situationen vorzubereiten. Hierzu ist die Ausbildung in den Ortsverbänden, aber insbesondere an den THW-Bundessschulen notwendig. 
Belastend für die Einsatzkräfte ist vor allem auch, welchen Stellenwert der Mensch in verschiedenen Regionen der Welt hat. Hier muss ein Europäer zuerst mal damit klar kommen. Das Leid und das Elend kommen dann natürlich noch hinzu. Hier kommt natürlich auf die Team-, und Einsatzleiter vor Ort schon eine sehr wichtige Aufgabe zu, die Helfer wenn sie ins Camp zurückkommen aufzufangen und das Erlebte vom Tage Revue passieren zu lassen. Da dürfen auch Tränen fließen, dies ist wahrlich kein Zeichen von Schwäche, nein dies befreit. 
Solche Extremsituationen dürfen nicht in den nächsten Tag mitgenommen werden, da kommen ja ständig neue hinzu. Es ist schon sehr belastend und erfordert viele Gespräche bis in die frühen Morgenstunden hinein, um wieder am Folgetag in den Einsatz im Schadensgebiet gehen zu können.
Für die Nachsorge sind wir im THW gut aufgestellt, hier haben wir einige Nachsorge-Teams, welche sich bei der Rückkehr bereits am Flughafen um die Einsatzkräfte kümmern, bevor sie mit den Angehörigen zusammentreffen. 


Wie bedeutend sehen Sie die Rolle des THW im Zusammenspiel mit Feuerwehr und Polizei in der näheren Region? 


Nock: Die Zusammenarbeit mit den anderen »Blaulicht-Organisationen« hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Es gibt noch ein paar wenige Bereiche wo es noch besser sein könnte, da muss man noch nachsteuern. 
Aber ich glaube generell sagen zu können, wir sind alle auf einem guten Wege zum Wohle der Allgemeinheit. Hier sind natürlich auch alle Führungskräfte und Verantwortlichen der Blaulicht-Organisationen und der Politik gefordert, unterstützend tätig zu werden, um einen erfolgreichen Einsatz sicherzustellen. Da muss alles funktionieren.


Klimaforscher schlagen Alarm, die Zahl der Wetterextreme nimmt zu, lokal und weltweit. Einsätze des THW steigen stetig.  Worauf müssen wir uns Ihrer Erfahrung nach in Zukunft einstellen?


Nock: Wir sind uns alle sicher, dies hat auch die Vergangenheit gezeigt, dass es Schadensereignisse auch künftig aus unterschiedlichsten Gründen geben wird, ob Naturereignisse, Unfälle oder Unglücke größeren Ausmaßes. Jedoch leider auch das, was in Nizza, Berlin und aktuell auch in London passiert ist. Auch das sind Schadenszenarien, wo unsere Hilfe gebraucht werden kann.
Auf all diese Ereignisse, da gehören natürlich auch Attentate dazu, müssen die Mitglieder aller Blaulicht-Organisationen vorbereitet sein, sich ausbilden lassen, um immer auf einem aktuellen Stand zu sein.


Für viele in und um Zell waren und sind Sie »Mr. THW«. Helfen liegt Ihnen im Blut. Was macht ein Walter Nock nun ohne THW? Oder darf sich jetzt der Ortsverband Biberach über einen neuen Berater freuen?


Nock: Dass es mir nicht langweilig wird, dafür hat man ja schon vorgesorgt, mir wurde der Titel Ehren-Landessprecher zuteil und dies heißt wahrlich nicht, dass ich mich  komplett zur Ruhe setze. Man hat sehr wohl noch die eine oder andere Aufgabe für mich parat und will vor allem auch mein Netzwerk noch nutzen. Ansonsten freue ich mich,  alles etwas ruhiger anzugehen. Meine ehrenamtliche Stundenzahl darf ich nun ruhigen Gewissens deutlich reduzieren.

Zur Person

Ehrungen für den Netzwerker Walter Nock

Walter Nocks Lebenslauf im Technischen Hilfswerk umfasst eineinhalb eng beschriebene Din-A-4-Seiten. Nock erhielt sämtliche Ehrungen des THW’s, darunter auch die höchste, das TWH-Ehrenzeichen in Gold. 1990 wurde er erstmals zum Landessprecher gewählt, fünf Wiederwahlen folgten im Laufe der Jahre. Walter Nock trat 1969 in den Ortsverband Biberach/Baden ein und wurde 1977 auch dessen Ortsbeauftragter. Er absolvierte ungezählte Lehrgänge und Fortbildungen.  
Seine Verdienste wurden nicht nur vom Technischen Hilfswerk honoriert. 2003 erhielt Walter Nock die Landesehrennadel Baden-Württemberg. Drei Jahre später wurde der gebürtige Zeller mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. 

Auch andere Organisationen würdigten die Verdienste des THW-Landessprechers. So erhielt Walter Nock 2005 die silberne Ehrennadel des Deutschen Feuerwehrverbands und 2012 die Auszeichnung in Silber von der Bundesvereinigung der Helfer und Förderer des Technischen Hilfswerks in Berlin.

Bei seiner Verabschiedung würdigten hochkarätige Vertreter aus Politik und anderen Hilfsorganisationen Nocks unermüdlichen Einsatz für die Interessen der Helferinnen und Helfer, nicht nur in Baden-Württemberg, sondern vor allem auch auf dem Berliner Parkett. Bis in höchste Regierungskreise reicht das Netzwerk, das sich Walter Nock im Laufe der Jahre aufgebaut hat. 

Von Nocks glänzenden Kontakten auch innerhalb des Technischen Hilfswerks profitiert aktuell auch die Stadt Zell. Als die Frage nach einer Stahlbrücke für die Umleitung während der Bauarbeiten in der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach aufkam, war es Walter Nock, mit dessen Unterstützung der Stahlkoloss organisiert wurde.        red/dr

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