Justizminister informiert sich in Lahr über Flüchtlinge
Die Hilfsbereitschaft in Lahr ist groß, doch es bleiben viele Baustellen – gerade mit Blick auf die Kommunikation mit Behörden. Das ist am Donnerstag bei einer Veranstaltung der SPD zum Thema Flüchtlinge im Treffpunkt in der Bismarckstraße deutlich geworden.
Für Hazem aus Syrien ist klar: »Die Mehrheit der Neuankömmlinge will sich integrieren.« Wenn Menschen aber monatelang in Hallen und Containern warten müssen, dann stehen sowohl die Flüchtlinge als auch die Helfer vor großen Herausforderungen. Auf diese Problematik ist am Donnerstag bei der Gesprächsrunde mit Landesjustizminister Rainer Stickelberger (SPD) mehrfach hingewiesen worden.
»Hallen räumen«
Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller sprach von 840 Flüchtlingen, die derzeit in Lahr untergebracht sind – 539 davon in der Innenstadt. »Bei diesen 840 wird es wohl nicht bleiben«, so Müller. Ihm sei es wichtig, die IBG- und die Ortenauhalle schnellstmöglich zu räumen. Außerdem forderte er eine flächendeckende Belegung im Ortenaukreis: »Es darf keine weißen Flecken geben.« Müller lobte die große Hilfsbereitschaft in Lahr. »Lästige Mails« gebe es derweil nur wenige.
»Behörden-Blockade«
Cosima Lipps erinnerte an die Gründung des Freundeskreises Flüchtlinge vor rund einem Jahr. Sie verdeutlichte, dass die Herausforderungen immer größer werden. Die Kooperation mit dem Landratsamt sei nicht immer wünschenswert verlaufen. In manchen Bereichen sprach sie gar von Blockaden seitens der Behörde. »Wir brauchen auch Spielräume«, sprach Lipps für die Ehrenamtlichen. Dass deren Projekte manchmal anders strukturiert seien als die des Kreises, müsse die Behörde akzeptieren. »Wir brauchen mehr Hilfe zur Selbsthilfe«, warb Lipps auch für eine bessere Vernetzung. »Viele Menschen sind sehr isoliert.« Um das zu ändern, müsse mehr Personal bereitgestellt werden.
»Die Menschen wollen alle Deutsch lernen«, unterstrich Günter Endres vom Freundeskreis. Dann verwies er aber auf viele Baustellen. In die Container neben der Ortenauhalle könne im Moment niemand einziehen: »Dort fehlen Matratzen.« Bei den Bewohnern der Halle herrsche große Unsicherheit, ob und wann sie auf den Flugplatz umziehen. Dort wiederum wäre ein Sozialraum hilfreich. Endes berichtete von weiten Wegen vom Flugplatz in die Innenstadt – und von vielen Missverständnissen bei der Kommunikation mit den Behörden. »Schuldige zu suchen ist unproduktiv«, so Endres. Es fehle eben überall an Personal.
Ärzte-Initiative
Eine erfreuliche Nachricht kam von Ärztin Barbara Wiedemer: Auf dem Flugplatz gebe es regelmäßige medizinische Sprechstunden, die gut angenommen werden. Sie lobte auch die Kooperation mit dem Krankenhaus. »Niemand muss Angst vor ansteckenden Krankheiten haben«, beruhigte Wiedemer. Bedarf gebe es an zahnärztlicher Behandlung.
Weitere Ängste wollte Thomas Krebs, Leiter des Lahrer Amtsgerichts, ausräumen. Von einer Zunahme an Gewaltdelikten könne er mit Blick auf die Flüchtlinge nicht berichten.
Das bestätigte auch der Justizminister: »Da geht es eher um interne Auseinandersetzungen.« Große Sorge bereiteten ihm vielmehr die Brandanschläge auf Flüchtlingsheime – auch in Baden-Württemberg.
Um die Wartezeiten für die Neuankömmlinge zu verkürzen, wünschte auch Stickelberger schnellstens mehr personelle Ressourcen vom Bund. Wichtig sei es auch, mehr Bauflächen zu schaffen, so der Minister, der Lahr als »weltoffene und freundliche Stadt« bezeichnete. Mit Blick auf die Neuankömmlinge – unter den Flüchtlingen beim Gespräch waren ein Arzt und ein Jurist – sprach er von »großem Potenzial«. Durch bessere Vernetzung, auch unter den Neuankömmlingen, müsse dies genutzt werden. Stickelberger forderte außerdem mehr Dolmetscher und schnellere Asylverfahren.
Lahrs Rathauschef verwies auf die Integration von Tausenden Spätaussiedlern in Lahr und gab sich optimistisch. Ohne Unterstützung von Land und Bund seien solche Aufgaben aber nicht zu bewältigen: »Integration findet nicht im Kanzleramt statt, sondern vor Ort.«
Aktuelles aus dem Landratsamt
▸ 238 Menschen leben derzeit im Containerdorf auf dem Flugplatzareal. In dieser Woche sollen noch 60 weitere dazukommen, so Michael Loritz, Dezernent im Landratsamt, auf Nachfrage des Lahrer Anzeigers. »In dem Containerdorf sollen in erster Linie Menschen vom Balkan und alleinstehende Männer unterkommen. Es wird noch Umzüge geben. Wie lange die Menschen dort bleiben werden, hängt von der Dauer der Asylverfahren ab.«
▸ Die IBG-Turnhalle und die Ortenauhalle sollen laut Landratsamt im Lauf dieses Monats geräumt werden. Die Container neben der Ortenauhalle werden nach und nach belegt, so Loritz.
Teilweise sollen die Bewohner dann auf den Flugplatz umziehen. »Für Familien und Personen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit werden auch andere Quartiere gesucht.«
▸ Eine Bushaltestelle gibt es am Flugplatz. Die Versorgungsmöglichkeiten vor Ort sind gut«, so Loritz. Daher seien derzeit keine weiteren Verbindungen in Richtung Innenstadt geplant.