Kandidatensuche für Kommunalwahl ist im Kinzigtal oft schwierig
Thema des Tages: Das Offenburger Tageblatt hat sich in den Kinzigtal-Kommunen umgehört, wie es um die Kandidatensuche für die Kommunalwahl am 9. Juni steht.
Egal, ob die Wassergebühren erhöht, ein neuer Spielplatz gebaut oder der Kindergarten erweitert werden soll – die Entscheidung liegt beim Gemeinderat. Nicht umsonst wird er in der Gemeindeordnung als „Hauptorgan der Gemeinde“ bezeichnet. Am Sonntag, 9. Juni, stehen in Baden-Württemberg wieder Kommunalwahlen an. Dann werden die neuen Gemeinde- und Ortschaftsräte für die kommenden fünf Jahre gewählt. Das Offenburger Tageblatt hat sich umgehört, wer von den aktuellen Stadt- und Gemeinderäten wieder kandidieren wird, und wie es generell bei der Kandidatensuche läuft.
Dabei zeigt sich ein durchwachsenes Bild: Einige sprechen von einer sehr schwierigen Kandidatensuche; viele, die schon lang dabei sind wie Erich Fuhrer (CDU) aus Hornberg, sagen, es sei „so schwierig wie noch nie“. Es werde immer aufwendiger, die Menschen von einem langfristigen Ehrenamt zu überzeugen. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Wolftal, im Oberen Kinzigtal sowie einigen Gemeinden rund um Haslach wie Mühlenbach oder Steinach.
Ohne persönliche Ansprache sei es kaum möglich, Kandidaten zu finden. Auch die vier Ratsfraktionen in Wolfachs Gemeinderat eint: „Voll“ ist noch keine der Listen. Und insbesondere die Suche nach weiblichen Kandidaten gestalte sich schwierig. Unterschiedliche Meinungen kursieren derzeit, ob sich die Fraktionen auf eine Deckelung der Kandidatenzahl einigen: 18 Sitze hat Wolfachs Stadtparlament, im Raum steht eine Deckelung auf zehn bis zwölf.
Chance oder Deckelung?
Die Befürworter sehen darin die Chance für weniger Frust bei jenen, die den Einzug am Ende stimmenmäßig nicht schaffen und für kommende Jahre als Kandidaten verprellt sind. Die Kritiker werten die Deckelung als Eingrenzung für den demokratischen Prozess. Nach wie vor ist es aber auch möglich, (junge) Menschen fürs Ehrenamt zu mobilisieren und für ein Engagement in der Kommunalpolitik zu begeistern. So berichtete Wilhelm Uhl, der die Hofstetter CDU schon 25 Jahre lang im Gemeinderat vertritt, dass es noch nie so einfach gewesen sei, die Liste zu füllen.
Auch Joachim Eitel vom Vorstand des Grünen-Ortsverbands Kinzigtal teilte mit, dass die Kandidatensuche in Haslach „entgegen des Trends“ sehr gut gelaufen sei, und berichtet auch von einigen Neu-Eintritten im Grünen-Ortsverband. Er ist überzeugt, dass viele Menschen bewusst Flagge zeigen wollen gegen die rechtsextremen Strömungen im Land. Die Haslacher CDU hat ihre 18 Kandidaten für eine volle Liste ebenfalls schon zusammen.
Sicher ist, dass spannende Wahlen auf die Kinzigtäler zukommen – auch weil es einige neue Konstellationen gibt. In Fischerbach, wo bisher Freie Wähler und CDU im Gemeinderat vertreten sind, wird es künftig nur noch eine Bürgerliste geben, ebenso in Oberwolfach. Die Freien Wähler Schenkenzell haben angekündigt, dass sie künftig als „Freie Liste“ auftreten werden, um zu zeigen, dass sie parteiunabhängig sind.
Gleich zwei neue Listen wird es künftig in Haslach geben: Neben der CDU, den Grünen, den Freien Wählern und der SPD werden dort auch die FDP und die parteiunabhängige Liste Haslach Lebenswert Kandidaten ins Rennen schicken. Mehr Vielfalt wird es auch wieder in Steinach geben. Nachdem dort bis 2019 noch die Junge Liste und bis 2009 sogar die SPD vertreten waren, gab es zuletzt nur noch Vertreter der CDU und der Freien Wähler am Ratstisch. In diesem Jahr wird nun auch eine Grüne Liste Kandidaten stellen. Auch personell werde es interessant, denn so manches kommunalpolitische Urgestein wird vom Ratstisch abtreten. Beispiele sind in Haslach Martin Schaeffer (Grüne, 40 Jahre), Herbert Himmelsbach (SPD, 30 Jahre), in Hofstetten Bernhard Kaspar (CDU, 30 Jahre) und Wilhelm Uhl (CDU, 25 Jahre), in Fischerbach nach mehr als 40 Jahren Klaus Schmieder.
Urgesteine treten ab
In Hausach hören Brigitte Salzmann (SPD) und Max Winterer (CDU) nach fünf Wahlperioden oder 35 Jahren auf. Bei den Freien Wählern Wolfach wollen gleich drei langjährige Vertreter mit zusammen 55 Jahren Rats-Erfahrung nicht mehr kandidieren. In Bad Rippoldsau-Schapbach werden außerdem mindestens drei „Urgesteine“ nicht mehr dabei sein: Beate Belz (CDU) hat bereits vor Kurzem ihr Amt nach 20 Jahren niedergelegt. Von den Freien Wählern werden die langjährigen Gemeinderäte Ramon Kara und Franz Günter aufhören. Auch in Oberwolfach wird mit Erna Armbruster (Freie Wähler) eine Gemeinderätin nicht mehr antreten, die 30 Jahre lang die Kommunalpolitik geprägt hat.
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Nur ein Prozent der Räte aus der Arbeiterklasse
Rund 20.000 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte gibt es in Baden-Württemberg. Ihre Amtszeit beträgt fünf Jahre. Sie werden durch die Bürger der Kommune gewählt. Die Zahl der Gemeinderatsmitglieder richtet sich nach der Einwohnerzahl der Gemeinde. Die ehrenamtliche Tätigkeit in einem Gemeinderat ist zeitaufwändig. Das hat Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Gremien, wie eine Studie der Hochschule Kehl ergab. Etwa 80 Prozent der in dieser Studie befragten Gemeinderäte sind erwerbstätig. Unter diesen Erwerbstätigen sind rund 38 Prozent Angestellte oder leitende Angestellte, rund 23 Prozent Selbstständige und freiberuflich Tätige, rund elf Prozent Beamte und leitende Beamte, nur knapp ein Prozent ist der Gruppe der Arbeiter zuzurechnen.
Nach den Gemeinderatswahlen 2019 hat der Anteil weiblicher Abgeordneter in den Gemeinderäten des Landes mit 26,8 Prozent erstmals über ein Viertel betragen (zum Vergleich 2014: 23,9 Prozent). Von den zu vergebenden 18.675 Sitzen gingen insgesamt 5006 an Frauen und 13.669 an Männer. In insgesamt 22 Gemeinden wurde keine einzige Frau in den Gemeinderat gewählt. Demgegenüber betrug der Frauenanteil in 19 Gemeinderäten 50 Prozent oder mehr.
Quelle: www.kommunalwahl-bw.de / Statistisches Landesamt
Wer wählen darf
Das Wahlrecht ist in den vergangenen Jahren zunehmend inklusiver geworden. Der Kreis der wahlberechtigten Personen, die bei Kommunal- und Kreistagswahlen in Baden-Württemberg ihre Stimmen abgeben dürfen, hat sich also deutlich vergrößert. 16-Jährige dürfen bei Kommunalwahlen schon seit 2014 wählen. Für Staatsbürger eines EU-Landes besteht diese Möglichkeit sogar schon seit 1992, sofern sie ihren Hauptwohnsitz in Baden-Württemberg haben. Erstmals dürfen in diesem Jahr auch Wohnungslose mit gewöhnlichem Aufenthalt in einer Kommune in Baden-Württemberg an der Wahl teilnehmen. Zudem sind Menschen mit Vollbetreuung nicht länger von der Wahl ausgeschlossen.
Quelle: www.kommunalwahl-bw.de