Kinzigtal
Folge 38: De Stadtpfarrer Weinmann
Michaela Keller
13. September 2009
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Im Jubiläumsjahr »750 Jahre Hausach« veröffentlichen wir wöchentlich eine Serie »Huse fier Riigschmeckte« – übersetzt: Hausach für Zugezogene. Und wir garantieren, dass auch so mancher Einheimische hin und wieder etwas entdecken wird, das er noch nicht gewusst hat.
Hausach. Franz Weinmann kam als Stadtpfarrer im Januar 1958 nach Hausach und diente der Gemeinde bis 1979 – kein Pfarrer vor ihm hat die Gemeinde so geprägt wie er. Anschließend genoss er seinen Ruhestand im Kloster Wittichen und verstarb dort im Jahre 1996. Franz Weinmann wurde 1909 im schwäbischen Deilingen geboren, wuchs in Hinterzarten auf, besuchte das Freiburger Gymnasium und studierte Theologie in Freiburg und Innsbruck. 1933 wurde er im
Priesterseminar St. Peter zum Priester geweiht. Schon als Kaplan in Mannheim widmete er sich besonders der Jugendarbeit und war für sein mutiges und unerschrockenes Handeln bekannt.
Das wurde ihm auch bald zum Verhängnis, denn er wurde – da er auch vor den Nazis kein Blatt vor den Munde nahm – in Mannheim zunächst in Einzelhaft arrestiert. Danach folgten noch einmal drei Jahre Konzentrationslager im berüchtigten KZ Dachau, wo er erst im Jahre 1945 beim Zusammenbruch des Dritten Reiches befreit wurde.
Nach einer langen Erholungszeit von den Strapazen der Gefangenschaft kam er zur Gemeinde Heiligenzell bei Lahr, wo er sich große Verdienste beim Aufbau diverser Jugendgruppen erwarb. Bevor er 1958 nach Hausach kam, betreute er im Gengenbacher Mutterhaus der Franziskanerinnen noch die 40 Schwestern.
Ganze Generationen von Husachern taufte, kommunizierte, traute und beerdigte er in seiner Hausacher Kirchengemeinde. Er kannte die Stärken und Schwächen seiner Kirchenmitglieder und forderte bedingungslosen Glauben von seinen ihm anvertrauten Schäfchen. Auch in Hausach nahm er keine Rücksicht auf irgendwelche Obrigkeiten und sagte jedem unverhohlen die Meinung. Aber gerade deswegen war er in der Bevölkerung sehr beliebt, da jeder wusste »wo er dran war«.
Organist und Dirigent
Sein heftiger impulsiver Charakter war berühmt-berüchtigt und im Kommunionunterricht, der damals noch von bis zu 85 (!) Kindern besucht wurde, bestrafte er ohne langes »Federlesen« die jugendlichen Störenfriede, um die seiner Meinung nach erforderliche christliche Demut wieder herzustellen.
Er war unglaublich musikalisch und bei Ausfall des Organisten übergab er kurzerhand die Predigt seinem Kaplan und spielte selbst die Orgel oder dirigierte den Kirchenchor.
In seiner Zeit wurde die Dorfkirche renoviert, in der Stadtkirche eine neue Orgel eingebaut, das neue Pfarrhaus und Pfarrheim erstellt, der Kindergarten St. Anna erweitert, weshalb er oft der »Baupfarrer« genannt wurde. Doch wird man ihm mit dieser Bezeichnung nicht gerecht. Vor allem nämlich hat er den Wandel zur demokratischeren Strukturen herbeigeführt. Er hat als einer der ersten die Neuerungen des II. vatikanischen Konzils rigoros eingeführt, wie damalige Wegbegleiter erzählen. Weg von Adel und Klerus – hin zu Klerus und Laien!
Bei Pfarrer Weinmann konnten Laien erstmals bei Entscheidungen mitwirken, wobei er aber immer die Verantwortung und somit das letzte Wort hatte. Er legte großen Wert auf die Mitarbeit von Frauen, unter ihm finden sich die ersten Husacher Pfarrgemeinderätinnen. Auch lag ihm die Kranken- und Altenseelsorge sehr am Herzen und er war der Ökumene gegenüber aufgeschlossen. Er führte im Städtle die Sternsinger ebenso wie die gemeinsamen Senioren-Adventsfeiern ein.
Zigarre für die Senioren
Dass auch die Männer gerne kamen lag vermutlich mit daran, dass er immer für jeden Senior eine gute Zigarre besorgen ließ. Überhaupt war er weltlichen Genüssen gegenüber sehr aufgeschlossen. Bei einer Tauffeier verdrückte er drei geräucherte Forellen und in seinem Keller lagerte das beste Schwarzwälder Kirschwasser weit und breit. Vielleicht war er durch seine Zeit im Konzentrationslager so lebensbejahend und deshalb den irdischen Genüssen recht zugetan.
Und wie bei so vielen mächtigen Männern steht hinter ihnen eine starke Frau. Diese findet sich auch bei Pfarrer Weinmann in Person der studierten Theologin Ingrid Schwörer. Sie kam als Gemeindereferentin 1967 nach Hausach und arbeitete bestens mit ihm zusammen. Bald wurde sie seine engste Vertraute und als er zum Dekan ernannt wurde, bezeichnete er sie liebevoll als »Dekaninchen«. Als er altershalber 1979 ins Kloster Wittichen ging, begleitete ihn Ingrid Schwörer und blieb bis zu seinem Tod an seiner Seite.
Franz Weinmann hat das heutige Hausach entscheidend mit geprägt, denn seine Vorgänger waren allesamt Pfarrherren, er aber war der erste wirkliche Stadtpfarrer.