Kehl
Langer Prozess für eiligen Anwalt
Peter Schwab
13. October 2011
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Der Streit zog sich drei Jahre hin, es ging um einen Rempler im Kehler Bahnhof, um Fragen der Ehre und Menschenrechte – große Themen, die das Landgericht Offenburg gestern verhandelte. Mit dem Ergebnis waren alle Beteiligten zufrieden – sogar der Angeklagte.
Offenburg/Kehl. Die Kleine Strafkammer des Offenburger Landgerichts hat einen Schluss-Strich unter ein Verfahren gegen den Rechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah gezogen. Nach einer Zahlung von 500 Euro an einen Verein in Bühl wird die Strafsache wegen Beleidigung und fahrlässiger Körperverletzung eingestellt. Seit 2008 waren die Gerichte damit beschäftigt.
Damals, im Februar, kam es zu einem Unfall auf der Treppe zum Bahnsteig des Kehler Bahnhofs. Anwalt David Schneider-Addae-Mensah war knapp dran, der Zug stand schon am Bahnsteig, Ankommende strebten aus dem Bahnhof. Gegen den Strom drängte der damals 36-Jährige die Stufen zum Bahnsteig hoch. Dabei hat er, so sah es 2009 das Kehler Amtsgericht, erst einen Bundespolizisten in Zivil angerempelt, dann eine Frau so gestoßen, dass sie gestürzt ist.
Die Dame hat sich eine Prellung am Bein zugezogen, war für Wochen krank und auf Krücken angewiesen. Später bekam sie von der Versicherung des Anwalts Schmerzensgeld und Schadensersatz.
Vom Sturz hat der Jurist erst nichts mitbekommen. Er konnte gerade noch die schon geschlossene Zugtüre öffnen, huschte in den Waggon und wartete, dass der Zug losfuhr. Das tat er aber nicht. Dafür hatte die Bundespolizei gesorgt.
Ein Beamter hatte den Eiligen im Zug entdeckt und forderte Schneider-Addae-Mensah zum Aussteigen auf. Schon da war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Als ein zweiter Streifenpolizist den Menschenrechts-Anwalt für die blauen Flecken der Frau verantwortlich machte, war der Beschuldigte, gelinde gesagt, »not amused«.
Das hatte mit Erfahrungen zu tun, die der in München geborene Deutsch-Ghanaer mit Trägern öffentlicher Gewalt gemacht hat. So wurde der Doktor jur. mehrfach aktenkundig, weil er sich weigerte, sich von Bundespolizisten kontrollieren zu lassen. Das taten sie wegen seiner dunklen Hautfarbe, meint Schneider-Addae-Mensah: Diskriminierung.
So fühlte sich der Jurist auch 2008 von der Bundespolizei gegängelt und warf den Beamten sehr scharf illegale Grenzkontrollen vor, die rassistisch begründet seien. Doch ging es um die gestürzte Frau und den Vorwurf der Polizisten, Schneider-Addae-Mensah habe sie umgerannt. Deshalb hat das Kehler Amtsgericht den Strafbefehl gegen den Anwalt knapp ein Jahr später bestätigt und ihn zu 40 Tagessätzen à 80 Euro verurteilet.
Schneider-Addae-Mensah legte Berufung ein. »Ich will einen Freispruch«, sagte er gestern in Offenburg. Ganz hat er ihn nicht erreicht, aber er ist über die »goldene Brücke« gegangen, die ihm der Vorsitzende Herbert Schmeiser gebaut hatte. Schmeiser formulierte die Einschätzung, dass die Kammer Schneider-Addae-Mensahs Rempler annehme. Doch habe das Verfahren überlang gedauert. Und können die Worte des Angeklagten im Lichte der Verfassungsrechtsprechung wirklich eine Beleidigung sein?
Staatsanwalt Rüdiger Moll reagierte zunächst zurückhaltend. Einer Einstellung wollte er erst zustimmen, wenn Schneider-Addae-Mensah 500 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlt. Darauf einigten sich die Beteiligten schnell, die Einstellung war gebont. Doch dem Ankläger war auch die Haltung des Angeklagten gegenüber den Geschädigten wichtig.
Zur verunglückten Frau habe Schneider-Addae-Mensah Abstand gehalten, sie war ja Zeugin im Verfahren gegen ihn, so der Jurist. Gegenüber der Bundespolizei war der Rechtsanwalt bereit, per Brief eine Unangemessenheit seiner Fundamentalkritik in der speziellen Situation einzuräumen.
Die Kritik Schneider-Addae-Mensahs an der Staatsgewalt wird sich mit dem »Entschuldigungsbrief« nicht ändern. »Die Polizei ist immer noch mein Gegner«, sagte der Anwalt nach dem Prozess.