Konzert: "Milch und Honig" in der Kehler Friedenskirche
Kehl. Rückblickend wäre es keine Übertreibung zu behaupten, dass das Konzert des Duos "Milch und Honig" am Samstag in der Friedenskirche zu den erhabensten Darbietungen der letzten fünf Jahren gezählt werden darf: Wolfgang Nehlert (Kirchenbass) und Dietmar Schlager (Piano) spannen ein filigranes Klanggewebe in einem abwechslungsreichen Repertoire: von Barock, über Romantik bis zur Postmoderne. Von Bach über Mozart, Debussy und Rachmaninoff bis zu John Rutter. Und von Händel über Giovani Bottesini und Carl Bohm bis zu The Cinematic Orchestra, The Piano Guys und Michael Masser. Geschmückt wurde das Musikprogramm mit Advents-Lyrik, humanistischen Gedanken und Erinnerungen aus der Kindheit. Und, nicht zuletzt, mit der zentralen Botschaft der Liebe.
Es gibt verschiedene Arten zu musizieren: die Erste ist spieltechnisch perfekt, wundervoll virtuos, aber emotionell fantastisch steril, als würde die Musik unter einer Glasglocke um sich selbst mit ihren vielen Tönen rotieren, geradezu narzisstisch. Anderseits gibt es auch spieltechnisch nicht unbedingt besonders geschliffene oder sehr virtuose Darbietungen – die kleinen Imperfektionen, hier und da hörbar, vielleicht eine zu schlichte Instrumentierung. Aber da geschieht etwas, das sich der intellektuellen Analyse entzieht: Die Musik wirkt magisch. Sie passiert die materiellen Grenzen und durchdringt die Tiefen der Zuhörer, bringt sie zum inneren Erbeben, zur Entzückung. Und es gibt aber auch die dritte Art: wenn Genialität, Perfektion und Virtuosität sich paaren und die Musik aus undefinierbaren Gründen die Zeit zum Stillstand bringt, Verstand und Gefühl transzendierend. Kein Außen, kein Innen, nur Freude, das Intellekt schweigt. Und genau das passierte auch am Samstag in der Friedenskirche, auflangen Strecken.
Nehlert, der in Deutschland und Kanada Kontrabass studiert hat, spielte auf einem besonderen Instrument: einem ziemlich kleinen Kirchenbass, in Straßburg 1847 vom Geigenbauer Frères Schwartz hergestellt. „Mit seinen tiefen, langwelligen Schwingungen und mit seiner speziellen obertonreichen Farbpalette eignet er sich ganz besonders dafür, große Räume klanglich auszufüllen“ – so wurde es im Flyer des Konzertes beschrieben. Was unter den Händen Nehlerts aber entstand, der im Stehen, gebückt und das Instrument fast umarmend spielte, war abseits des Gewöhnlichen: Die Luft vibrierte wie ein riesiger Kristall unter der warmen, tiefen Stimme der Saiten. Der Diskurs erklang wie der eines lebenden Wesens, mal episch und mal lyrisch – Sanftheit und Kraft zugleich, nuancenreich. Manchmal klang es rau, kratzig, dann wieder wie Flüstern aus den Wänden.
Das Piano „sprach“ mit Glöckchenstimmen. Wie Dietmar Schlager aus den Gedärmen einer elektronischen Kiste solch Zartheit hervorlocken konnte? Er ist auf jeden Fall, wie auch sein Duo-Partner, ein hervorragender Musiker.