"Es muss ein Umdenken in der Gesellschaft geben"
Kino für „umme“ – den großen Saal im Kinocenter Kehl hatte Thomas Zawalski für den Film „Brot – das Wunder, das wir täglich essen“ reservieren lassen, die Zahl der Gäste, die sich den sehenswerten Film anschauen wollten, war allerdings recht überschaubar.
Die Doku von Harald Friedl stellt in ruhigen, nachdenklich stimmenden Bildern eine Bio-Bäckerei aus Österreich und eine Traditionsbäckerei aus Paris vor und stellt sie einer „Brotfabrik“, in der tausende von Brötchen und fluffigen Toastbroten pro Stunde über die Bänder laufen, und einem belgischen Backmittelkonzern gegenüber, der mit Chemie und Technologie die Brotherstellung zu optimieren versucht.
Auf der einen Seite die handwerklichen Bäcker, die das Getreide selbst beim Biomüller holen, den Sauerteig 72 Stunden führen, jeden angesetzten Teig beobachten und gegebenenfalls die Rezeptur anpassen, wenn die Konsistenz nicht stimmt; dort die Großkonzerne, die nicht von Broten, sondern von Produkten sprechen, denen Enzyme zugesetzt werden, damit sie länger frisch bleiben und die Kruste knackiger wird – und damit den Kundenerwartungen entsprechen: Schließlich soll ja auch das Brot, das beim Discounter im Ofen aufgebacken wird, möglichst aussehen und schmecken wie beim Handwerksbäcker im Dorf.
„Der Film behandelt zwei Themen, die uns in Zukunft beschäftigen werden“, sagte Thomas Zawalski. Zum einen sei es das Handwerk selbst, das zunehmend Probleme habe, Nachwuchs zu finden, da in unserer „Gesellschaft der Bildung“ für viele nur noch der Gymnasialabschluss erstrebenswert sei. Zum anderen sei es die Preispolitik der großen Lebensmittelkonzerne und -händler, die die traditionellen Handwerksbetriebe wie Bäcker und Metzger bedrohten.
Diesen Preisdruck verspüre auch die Landwirtschaft: „Mich hat neulich ein Bauer gefragt, wie er überleben soll, wenn das Glyphosat verboten wird“, berichtete Thomas Zawalski. Sowohl das Handwerk als auch die Landwirtschaft erführen nicht mehr die Wertschätzung, die sie verdienten.
Rege Diskussion
Im Anschluss an den Film entspann sich eine rege Diskussion querbeet über alle politischen Themenfelder. Sich komplett mit Bio-Produkten zu ernähren könnten sich viele nicht leisten, meinte ein Zuhörer. Viele Familien hätten gar keine andere Wahl als zum Discounter zu gehen.
Zawalski musste zugeben, dass daran auch die von den Grünen geforderte Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro nicht viel ändern würde. Man müsse aber hinterfragen, ob Erdbeeren im Dezember und jeden Tag Fleisch auf dem Teller wirklich sein müssen. In manchen Bereichen sei Verzicht üben angebracht – „aber nicht so, dass es uns unglücklich macht“.
Das gelte auch für den Klimaschutz. Er würde sich jetzt nicht mit dem einzelnen Dieselfahrer anlegen, wichtig seien die „großen Hebel“ wie zum Beispiel der Kohleausstieg, so Zawalski.
Die Maßnahmen, um der Klimakrise entgegenzutreten, seien allerdings nicht umsonst zu haben. Für einen effektiven Klimaschutz müsse eine gemeinsame Anstrengung her wie nach der Wiedervereinigung.
Steuererhöhungen seien da unausweichlich – und es sei „Quatsch“, dass andere Parteien das Gegenteil versprechen. „Wenn wir das jetzt nicht machen, brauchen wir irgendwann über die anderen Themen gar nicht mehr zu reden“, so Zawalski. „Wer auch immer die Regierung stellt – es muss Geld in die Hand genommen werden, um die Probleme zu lösen.“ Viel Geld: Die Grünen wollen jedes Jahr 50 Milliarden für den Klimaschutz ausgeben, sagte Zawalski.
Viele Fragen
Bürokratieabbau, Rüstungs- und Sicherheitspolitik oder die Ansiedlung des Tesla-Werks in einem Wasserschutzgebiet in Brandenburg unter einem grünen Umweltminister – die etwa 25 Zuhörer hatten viele Fragen, die auch aufgrund der vorgerückten Zeit nicht alle erschöpfend beantwortet werden konnten.
Zawalski machte aber klar, dass die Politik zwar „gewisse Dinge“ regeln könne, es aber auch ein Umdenken innerhalb der Gesellschaft geben müsse – hin zu einer nachhaltigeren Lebensweise.