Oberachern ist nun seit 50 Jahren Teil von Achern
Die einst selbstständige Gemeinde Oberachern schloss sich zum 1. Januar 1971 der Stadt Achern an. Dass der Stadtteil keinen Ortsvorsteher hat, wird auch heute teilweise noch kritisch gesehen.
Vor einem halben Jahrhundert, zum 1. Januar 1971, wurde Oberachern der erste Ortsteil von Achern. Ziel des damaligen Acherner Bürgermeisters Winfried Rosenfelder (1924– 2009) im Rahmen der landesweiten Gemeindereform war, Achern zur Großen Kreisstadt zu machen. Das gelang nach der Eingemeindung der weiteren sieben Ortschaften drei Jahre später.
51 Prozent lehnten ab
Der letzte Bürgermeister von Oberachern, Franz Stockinger (1920–1989), wurde mit der Eingemeindung von Ober-
achern Erster Beigeordneter in Achern. In dieser Eigenschaft vertrat er die Interessen seines Dorfes bis 1984 weiter. „Ich bin Oberacherner mit Leib und Seele“, so eröffnete er eine Bürgerversammlung vor der Eingemeindung. Der Zusammenschluss mit Achern werde kommen, sagte er damals – entweder freiwillig oder auf Zwang. Die Bürger waren gespalten in ihrer Meinung. In einer Abstimmung mit einer Wahlbeteiligung von 67,5 Prozent stimmten 49 Prozent für den Zusammenschluss und 51 Prozent dagegen.
Wegen seiner Größe hätte Oberachern sich auf die Eingemeindung nicht einlassen müssen. Es war mit rund 3300 Einwohnern die achtgrößte von 29 Gemeinden im ehemaligen Landkreis Bühl. Bis heute gibt es kleinere Ortschaften, die selbständig geblieben sind, etwa Ottenhöfen, Sasbachwalden oder Seebach. Doch nicht nur die Nähe zu Achern legte den Zusammenschluss nahe. Man argumentierte mit dem Ziel, leistungsfähigere Gemeinden zu schaffen. Die Entscheidung traf der Oberacherner Gemeinderat am 19. Oktober 1970: Zehn Räte und Bürgermeister Stockinger stimmten für den Zusammenschluss, zwei Räte waren dagegen. Wenige Tage später wurde der Eingliederungsvertrag unterzeichnet.
Bis heute ist Acherns größter Stadtteil mit seinen rund 4400 Einwohnern der einzige ohne Ortsvorsteher und Ortschaftsrat. Von 1992 gab es einen Arbeitskreis Dorfentwicklung, aber dennoch immer wieder wieder Unzufriedenheit. Im Dezember 2009 tagte unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister Klaus Muttach zum ersten Mal der Ortsrat im ehemaligen Bürgermeisteramt von Oberachern, dem heutigen VHS-Gebäude. Die gewählten Stadträte aus Oberachern gehören ihm automatisch an, dazu kommen je ein Vertreter der Geschäftswelt, der Landwirtschaft, der Schule und der Vereine. Ein kommunales Gremium im Sinne der Gemeindeordnung ist er nicht.
Drei Vereinsvorsitzende aus Oberachern sehen es heute so: „Ich bin trotz allem ein Oberacherner geblieben. Hier sind meine Wurzeln und mein Lebensmittelpunkt“, sagt Adolf Karcher (BLHV). Lange habe er sich geärgert, dass Oberachern keinen Ortsvorsteher hat und andere Gemeinden darum beneidet. Seit der Einführung des Ortsrates habe sich aber „einiges zum Guten gewendet.“ Bernhard Keller (HVO) war 24 Jahre Stadtrat: „Nur durch viele gewählte Bürger von Oberachern haben wir ein gewichtiges Wort im Acherner Parlament und können den Nachteil eines fehlenden Ortsvorsteher ausgleichen.“
Jürgen Schmidt (Turnverein Oberachern) stellt fest, dass es Dinge gebe, die andere Ortsteile selbst bestimmen könnten, die Oberacherner jedoch nicht. Das Engagement der Verwaltungsspitze für eine Gleichberechtigung unter allen Ortsteilen erkenne er jedoch an. Es sei auch gut und richtig, dass die Ortsschilder von Oberachern noch stehen, obwohl dies rechtlich nicht sein müsste.
Ähnlich wie in Sand
Auf 52 Seiten hat die Arbeitsgruppe Dorfgeschichte des HVO die Ereignisse vor 50 Jahren zusammengetragen – nachzulesen auf der Internetseite www.hvoberachern.de.
In einer ähnlichen Situation wie Oberachern war der Willstätter Ortsteil Sand, der ebenfalls 1971 ohne Ortschaftsverfassung eingemeindet wurde. Dort schuf man als Ersatz für den fehlenden Ortschaftsrat 1989 zunächst einen Bezirksbeirat zusammen mit Willstätt. Doch 2002 wurden Forderungen nach einer Änderung der Hauptsatzung laut. Seit 2004 hat Sand einen Ortsvorsteher und einen Ortschaftsrat. Zeitgleich bekam auch der Kernort Willstätt Ortsvorsteher und Ortschaftsrat.
Ortschaftsverfassung
Eine Ortschaftsverfassung mit Ortsvorsteher und Ortschaftsrat, wie sie bei allen anderen Stadtteilen eingeführt wurde, wäre rechtlich auch für Oberachern möglich gewesen. Doch gefordert hat dies damals niemand, wie die Recherchen von Reiner Vogt vom Arbeitskreis Dorfgeschichte des Heimat- und Verschönerungsvereins ergaben. Acherns Bürgermeister Rosenfelder habe den Oberachernern in der Bürgerversammlung gesagt, dass sie nur ohne eine Ortschaftsverfassung ein „echtes Mitspracherecht” im Acherner Gemeinderat hätten.