Frauen halfen, als Bomben fielen
Ein jeder von uns ist ein Mann, auf den man sich verlassen kann«. Ob die Teilnehmerinnen eines großen Unterhaltungsabends der Feuerwehr im Frühjahr 1950 beim Singen dieses »Oberacherner Feuerwehrliedes« das Wort Mann mit Frau ersetzten, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass Oberacherner Frauen im Kreise der Floriansjünger dabei waren und von Landesbrandmeister Ludwig Hehn und Hauptbrandmeister Bernhard Früh (Bürgermeister von 1945-1957) geehrt wurden.
Denn in den letzten Kriegsjahren wurden Frauen zwischen 18 und 40 Jahren mehr oder weniger freiwillig als Feuerwehrhelferinnen »eingezogen«, um die im Krieg befindlichen Männer zu ersetzen. Ihren Großeinsatz hatten die Frauen am 7. Januar 1945, als Achern bombardiert und ein Großteil der Innenstadt in Schutt und Asche gelegt wurde (siehe Hintergrund).
Dicke Ordner
Dicke Ordner mit vielen Protokollen und Listen hat der Oberacherner Alterskamerad Manfred Geiser (Foto) angelegt, der seit Jahren die Geschichte der Floriansjünger in seiner Heimatstadt und 70 Jahre nach dem verheerenden Luftangriff auf Achern die Geschichte der Feuerwehrhelferinnen erforschte. Die Frauen haben Namen und Gesichter erhalten, denn Bernhard Früh und Josef Tisch listeten genau auf, wer sich damals am 17. September 1943 im Rathaussaal zur »Aufstellung von Frauengruppen« meldete.
Eingeladen waren »60 ledige Frauenpersonen der Jahrgänge 1919 bis 1925«, von denen sich 30 »freiwillig« für den Feuerwehrdienst meldeten. Die anderen hatten bereits Aufgaben etwa als Rotkreuz- oder Luftschutzhelferin. Doch junge Frauen wie Agnes Armbruster, Liesel Huber, Anni Neunzig oder Martha Vogt waren von nun an auch noch Feuerwehrfrauen. Neben diesem wichtigen Dienst und den beruflichen Aufgaben hatten sie zu Hause den eigenen Betrieb am Laufen zu halten, den Eltern zu helfen oder, wenn sie bereits Mütter waren, die Kinder zu erziehen. Inwieweit sie das freiwillig taten, bleibt fraglich. Denn viele der von Manfred Geiser gesammelten Belege beginnen mit »Auf Veranlassung des …« und dies bedeute ganz klar, dass die jungen Frauen keine Wahl hatten.
Luftschutz-Handspritze
Die Väter und Brüder waren an der Front bereits gefallen, nun mussten sie zusätzlich schwierige Aufgaben wahrnehmen, die eigentlich Sache der Männer war. Hierzu hatten die Frauen eine aus heutiger Sicht bescheidene Ausrüstung, zu der Overalls, Gummistiefel und Helme aus Messing gehörten, die Maler Tisch in die Tarnfarbe schwarz umlackierte. Wichtiges Löschgerät für die »Selbstschutzkräfte« war eine Luftschutz-Handspritze, mit der man nach dem Leitfaden »richtig und überlegt« vorgehen musste, die aber lediglich eine Reichweite von wenigen Metern hatte. Der Oberacherner Wehr stand auch ein Mannschaftswagen mit Zubehör, eine Lafettenspritze mit einer Leistung von 800 Litern pro Minute sowie eine Handdruckspritze für Pferdebespannung zur Verfügung.
»Erst kommt der Dienst und dann der Spaß«, so ein Vers aus dem Oberacherner Feuerwehrlied, doch der Dienst hatte es in sich. Und wehe, er wurde versäumt. So liegt Manfred Geiser ein Brief von Bürgermeister Friedrich Steck vor, den Ortsdiener Neunzig am 28. Oktober 1943 dem Vater der damals noch nicht volljährigen Anneliese Reich übergab. Darin steht, dass die Jugendliche bereits viermal unentschuldigt dem Dienst fernblieb und nun gefälligst zum nächsten Dienstabend erscheinen und eine Entschuldigung mitbringen soll. Würde der Aufforderung nicht Folge geleistet, müsste eine Meldung an die »vorgesetzte Dienststelle« gemacht werden, die auch für den Vater »nachteilige Folgen« haben könnte.
Vorschriften befolgen
Es gab viele detaillierte Anweisungen, angefangen von der Grußpflicht bis zum Verhalten bei Fliegerangriffen und dem Mitführen von privaten Hilfsmitteln wie Brotbeutel, Essbesteck und Trinkflasche bei auswärtigen Einsätzen. Das Essen wurde gestellt, den Vorschriften war Folge zu leisten.
Großeinsatz nach Luftangriff
Die Schläuche waren eingefroren, die Wasserversorgung zusammengebrochen und viele Pumpen funktionierten nicht mehr. Diesem Problem sahen sich nach dem verheerenden Fliegerangriff auf Achern am 7. Januar 1945 die Einsatzkräfte gegenüber, zu denen auch die Oberacherner Feuerwehrfrauen gehörten.
Exemplarisch sind sie für die vielen Frauen aus den Reihen des Deutschen Roten Kreuzes, Krankenschwestern und Frauen von umliegenden Wehren genannt, die nicht in einem Einsatzprotokoll erwähnt sind. Wohl aber sind es die Frauen aus Oberachern, die unter dem Kommando von Hauptbrandmeister Bernhard Früh nach Achern ausrückten, wo sich ihnen kurz nach dem zerstörerischen Angriff ein Bild des Grauens bot.
Nach einem Volltreffer des Gerätehauses waren alle Fahrzeuge und Hilfsmittel nicht mehr einsatzfähig. Kaum war der Angriff geflogen, standen die Oberacherner schon bereit und setzten ihre Motorspritze in Gang. Doch es war so kalt, dass sie bei der Ankunft in Achern schon wieder eingefroren war.
Dennoch gelang es den Frauen und Männern, die Spritze am Stadtgartensee in Gang zu setzen und eine Schlauchleitung in Richtung Hauptstraße zu verlegen, um die Gebäude der Sattlerei Koch und des Mechanikers Roth sowie das Gemeindehaus und die Räume des Elektrizitätswerkes zu schützen.
»Die ganze Hauptstraße und der größte Teil der Innenstadt standen in Flammen«, so Bernhard Früh. Dort waren auch die 110 Helferinnen und zehn Gruppenführerinnen im Einsatz, die nach den Unterlagen von Manfred Geisers in Achern ihre Frau standen und viel Gutes taten.sp