Karikaturist Erich Rauschenbach in Offenburg

„Verständnis haben ist für einen Cartoonisten tödlich“

Jürgen Stark
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
05. October 2020
Bescherten einen heiteren Abend im ehemaligen Gefängnis: Moderator Jürgen Stark (von links), Karikaturist Erich Rauschenbach, Frank Leonhardt, der Vorsitzende des Technischen Zukunftsmuseums Tempolis in Ohlsbach, und „Liberty“-Geschäftsführer Heiko Hankel.

Bescherten einen heiteren Abend im ehemaligen Gefängnis: Moderator Jürgen Stark (von links), Karikaturist Erich Rauschenbach, Frank Leonhardt, der Vorsitzende des Technischen Zukunftsmuseums Tempolis in Ohlsbach, und „Liberty“-Geschäftsführer Heiko Hankel. ©Iris Rothe

Der Karikaturist und Maler Erich Rauschenbach hat seine Karriere in der Zeit der Studentenproteste bei alternativen 
Zeitungen gestartet. Heute gibt er sich der Künstler aus Berlin altersmilde. In Offenburg belustigte er das Publikum mit Szenen aus dem Ehealltag.

Offenburg. Erich Rauschenbach hat die Gabe, Umwelt und Alltag so zu sehen, dass am Ende alles komisch, alles realsatirisch wirkt. Daraus entstehen seit Jahrzehnten seine beliebten Cartoons, die bereits hunderttausendfach als bunte Bücher von seinen Fans gekauft wurden. Auf Einladung von Temopolis, dem Technischen Zukunfts-Museum in Ohlsbach, war er zu Gast in Offenburg. Im Museum läuft derzeit noch eine interessante Ausstellung mit Rauschenbachs Werken, die sich heiter bis kritisch mit dem technologischen Wanel befassen. 
Im Gespräch machte sich der Karikaturist und Maler Erich Rauschenbach aus Berlin einen Tag vor seiner Veranstaltung im Offenburger Hotel „Liberty“ Gedanken darüber, ob die Leute auch lachen würden. Denn aus Sicht der Berliner ist der tiefe Süden ja weitgehend fremdes Land, vor allem wegen der Berge. Da, wo Rauschenbachs Humor wächst und gedeiht, ist der berühmte Ku’damm nicht weit. „Eben noch konnte ich nachts um elf noch in Wilmersdorf in eine der fünfzig Kneipen gehen, jetzt hat man Probleme wenn man um die Uhrzeit noch ein Bier trinken will“, berichtet er. Nein, Corona findet er gar nicht witzig, da bleibt nicht nur ihm langsam das Lachen im Halse stecken. 
Jahrzehnte waren die Cartoons des 76-Jährigen Momentaufnahmen, die aufspießten, was dem Normalbürger im Alltag gar nicht so auffällt. Heute zeichnet er nicht mehr, sondern malt er nur noch, ist also großformatiger im künstlerischen Ausdruck geworden. Der gebürtige Sachse, der nach einer Banklehre ein Grafikstudium absolvierte,  geriet in den Sog dessen, was die 1968er- Kulturrevolution so mit sich brachte. Neben den Protesten gegen den Muff der Adenauer-Ära erwuchs eine neue Publizistik. Sie brachte kleine Verlage, Stadtzeitungen und alternative Tageszeitungen hervor. Rauschenbach verdankt ihnen seine Karriere. 

Humoristischer Aufstand

Das Berliner Stadtmagazin „Zitty“ hatte damals eine Beilage, die sich „Berliner Verallgemeinerte“ nannte. Dort probte Rauschenbach zwölf Jahre zusammen mit Gesinnungsgenossen den humoristischen Aufstand. „Wir konnten damals machen, was wir wollten, es gab praktisch keinen Chefredakteur“, erinnert er sich. Auch wenn er viel für die Jusos und die SPD arbeitete, hielt er sich vom allzu Politschen doch eher fern. „Der Humor war damals entweder purer Nonsens oder pädagogisch.“
Rauschenbachs Humor ist eigentlich ganz woanders. Zum Beispiel am Freitagabend bei der Veranstaltung  im „Liberty“. Hier geht es um „Frauen und Männer“, ein Vortrag mit Lichtbildern und Kommentaren des Künstlers. 90 Minuten lang schallt das Gelächter des begeisterten Publikums durch die Hallen und Gänge des ehemaligen Gefängnisses. Der Ehealltag und die männlichen und weiblichen Eigenarten werden karikiert. Die Zuhörer prusten und kugeln sich. So mancher dürfte sich in dem Vortrag wiedergefunden haben. 
Doch Rauschenbach erkennt sich inzwischen im altersmilden Licht. Er sei nun viel zu tolerant und verständnisvoll, findet er. Er kennt das Leben, er lächelt weise und lässt nun die anderen machen. „Für einen Cartoonisten ist es tödlich, wenn er plötzlich für alles Verständnis hat“, meint er. Doch um den Zeitgeist sorgt er sich schon etwas. Die politische Korrektheit und das Ausufern einer „Sprachpolizei“ sei keine gute Sache für das Wesen der Kunst. 
„Ein Manfred Deix mit seinen Tabubrüchen wäre heute nicht mehr denkbar. Allerdings stellt sich inzwischen auch die Frage, welche Tabus es heute noch gibt“, stellt Rauschenbach fest. Die Kunst der Provokation in Zeiten des bierernsten Mainstreams. Er muss denn doch lachen, wenn er daran denkt, dass es heute „Eva und Adam und nicht mehr Adam und Eva“ heißen muss.
Über Rauschenbach lacht die Welt. So wurden zum Beispiel viele seiner Sprechblasen in den Cartoons ins Holländische übersetzt. Früher hätte es mehr Internationalismus gegeben, große Künstlertreffs mit Zeichnern aus aller Welt, auf Kuba, in Südamerika, in Frankreich, bedauert er im Rückblick. 
Die Zeiten ändern sich, vieles geht, Rauschenbachs Werke aber bleiben. Zum Beispiel auf seiner liebevoll gepflegten Homepage, wo man unter www.erich-rauschenbach.de an die 300 Cartoons betrachten und dann herzhaft ablachen kann. 

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kultur

Musikalische Entdeckungsreise voller Charme und Poesie: Tubaspieler Michel Godard mit Anne Paceo am Schlagzeug.
19.11.2024
Offenburg
Zum Abschluss der diesjährigen Jazzpassage setzte das „Tuba-Trio“ von Michel Godard ein Glanzlicht, während die Formation „Root 70“ keine neuen Impulse geben konnte.
Hoffnungsvoller Nachwuchs der Karlsruher Kunstakademie: Hojeong Lee (von links), Janika Kungl und Julla Kroner präsentieren sich in Offenburg. 
15.11.2024
Offenburg
Der Förderkreis Kunst und Kultur in Offenburg hat drei Absolventinnen der Kunstakademie Karlsruhe ausgezeichnet. Ihre Ausstellung im Artforum wird am Sonntag eröffnet.
Blick in die Ausstellung La Bibliotheque Fantastique“: rechts ein Regal mit riesigen Folianten aus Blei von Anselm Kiefer, im Vordergrund ein Kreis aus beschrifteten Sandsteinen von Susanne Egle.
15.11.2024
Museum Würth in Erstein
Monumentale Meisterwerke und eine bunte Vielfalt an Dialog- und Künstlerbüchern sind in der Ausstellung „La Bibliotheque Fantastique“ im Museum Würth zu sehen.
Das Thema von Preisträgerin Manon Lanjouère ist die Verschmutzung der Weltmeere. Aus Plastikmüll schuf sie bildlich neuartige Mikroorganismen.
15.11.2024
Ausstellung im Elsass
In der Ausstellung „Territoires Mouvants“ der Fondation François Schneider geht es um Wasser. Zu sehen sind Werke von Capucine Vanderbrouck und den Gewinnern eines Kunst-Wettbewerbs.
Kritisch blicken Trajan Pop Trajan (links) und Alexandru Bulucz (Mitte) auf Rumänien. Darum ging es auch im Gespräch mit Leselenz-Kurator José F. A. Oliver.
13.11.2024
Leselenz im Herbst
Mit der Lesung der aus Rumänien stammenden Autoren Trajan Pop Trajan und Alexandru Bulucz endete die Herbstausgabe des Hausacher Leselenz, der auch 2025 zweigeteilt wird.
Elisabeth Steinkellner beweist in ihrer Lesung, mit welcher Raffinesse sie in den verschiedenen Genren der Kinder- und Jugendliteratur unterwegs ist.
12.11.2024
Hausach
Elisabeth Steinkellner aus Niederösterreich wurde beim Hausacher Leselenz für ihr Gesamtwerk mit dem Leselenzpreis der Thumm-Stiftung für Junge Literatur ausgezeichnet.
Sarah Herrmann spielt in "Aenne" die junge Anna Lemminger, die Ehefrau des Druckereibesitzers Franz Burda wird.
12.11.2024
Offenburg
In einem Theateralbum mit kraftvollen Bildern erzählt das Theater Baden Alsace in Edzard Schoppmanns Inszenierung "Aenne" das Leben der Offenburger Verlegerin Anne Burda.
José F. A. Oliver.
11.11.2024
Kulturkolumne
Tempus fugit! Vielfach geschmäht, sind Weisheiten mitnichten Floskeln. Oft entlarven sie schmerzende Einsichten. Ob Redewendungen, Sprichwörter oder Dichtervermächtnisse. Vor allem, wo es um den wesentlichsten aller Lebenspunkte geht, den Tod. Zweifelsohne.
Intrigen bedrohen die Liebe der Königstochter Ginevra (Emökoe Baráth) zu Ariodante (Adèle Charvet).
11.11.2024
Rheinoper Straßburg
Die Aufführung der vierstündigen Oper „Ariodante“ von Georg Friedrich Händel an der Straßburger Rheinoper begeisterte mit originellen Regieeinfällen und glanzvollen Arien.
Dietrich Mack.
08.11.2024
Kulturkolumne
Das Auf- und Ausräumen seiner Bücherregale stellt den Kolumnisten vor schwere und schmerzhafte Entscheidungen. Damit dürfte er bald in prominenter Gesellschaft sein. Denn Bücher sind wieder sexy - in Hollywood und der Pariser Modewelt.
Bilder und Objekte loten in "O(h) Wald" in Offenburg Verhältnis und Verhalten zum Wald aus.
08.11.2024
Offenburg
Die neue Ausstellung "O(h) Wald" der Städtischen Galerie Offenburg beleuchtet Verhältnis und Verhalten der Menschen zum Wald. Zu sehen sind Werke von zwölf Künstlern.
Das Offenburger Ensemble hat mit einer Martine am Sonntagvormittag Arnold Schönberg, dem geistigen Vater der Zwölftonmusik, gehuldigt. 
06.11.2024
Offenburg
Das Offenburger Ensemble gratulierte Arnold Schönberg zum 150. Geburtstag. Das Programm spannte einen Bogen von der Gedichtvertonung „Verklärte Nacht“ bis zu einer Walzerbearbeitung.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Alles für die Gesundheit unter einem Dach: Das bietet das Top-Life Gesundheitszentrum Benz in Berghaupten. 
    12.11.2024
    Top-Life Gesundheitszenrtum Benz Berghaupten zieht Bilanz
    Das Team des Top-Life Gesundheitszentrums Benz in Berghaupten blickt auf ein ereignisreiches und vor allem sehr erfolgreiches Geschäftsjahr zurück. Und auch für 2025 werden schon fleißig Pläne geschmiedet.
  • Im repräsentativen BIZZZ-Gebäude an der Freiburger Straße in Offenburg hat der unabhängige Vermögensverwalter azemos seinen Hauptsitz.
    06.11.2024
    azemos Vermögensmanagement – eine feste Größe in der Ortenau
    Mit einem innovativen und unabhängigen Vermögensverwalter an der Seite ist die Geldanlage alles andere als ein Glücksspiel. Die Experten von azemos in Offenburg machen ihre Arbeitsweise transparent.
  • Das Team der Schreinerei Ferdinand Lehmann arbeitet an modernsten Maschinen und stellt ein. Gesucht wird ein Schreinermeister oder Holzbautechniker.  
    01.11.2024
    Schreinerei Ferdinand Lehmann verstärkt das Team
    Plameco-Spanndecken, Möbel nach Maß, Küchen, Fenster oder Türen aus Schreinerhand: Die Schreinerei Ferdinand Lehmann in Zell a. H. steuert mit einem großen Portfolio und vielen Plänen in die Zukunft. Im ersten Schritt soll das Team um einen Holzprofi wachsen.
  • Zieht viele Besucher an: Die Afterwork-Partys im Offenburger LIBERTY Hotel sind beliebt.
    30.10.2024
    7. November: XXL-Afterwork – Season-Closing
    LIBERTY und reiff medien laden am 7. November zur LIBERTY XXL-Afterwork-Party ein! Freu dich auf herausragende Weine, tolle Cocktails, ein einzigartiges Ambiente und beste musikalische Unterhaltung – die ideale Gelegenheit für entspannten Feierabend-Businessaustausch.