Susann Urban über ihre Arbeit: „Ein einsames Geschäft“
Susann Urban aus Stuttgart gab am Montagabend im Salon Voltaire im Rahmen der Baden-Württembergischen Übersetzertage interessante Einblicke in die Kunst des Übersetzens afrikanischer Literatur, aber auch in den Übersetzungsprozess an sich.
„Für mich ist der heutige Abend ein Ereignis, weil ich eine großartige Übersetzerin vorstellen darf“, begrüßte Moderator José F.A. Oliver, Dichter und Kurator des Hausacher Leselenzes, die Gäste im voll besetzten Haus. Susann Urban arbeite als Übersetzerin und freie Lektorin und habe eine unglaubliche Liste an Büchern, die sie schon aus dem Englischen in die deutsche Sprache übersetzt hat, sagte er. Davon stamme die Hälfte der Romane aus Afrika.
Vorgestellt wurden „Black Mamba Boy“ und „Der Garten der verlorenen Seelen“ von Nadifa Mohamed aus Somalia. „Jama sah, wie die Sonne über den Tortenkuppeln der Moscheen aufging. Die Dächer der lebkuchenfarbenen Wohnblöcke leuchteten zuckergussweiß“, las Oliver vor, und meinte diese große Übersetzerkunst müsse man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Sehr lyrische Art
Nadifa habe eine sehr lyrische Art sich auszudrücken, berichtete die Übersetzerin Die Muttersprache der Autorin ist somalisch und sie flüchtete mit ihrer Familie im Alter von vier Jahren nach England. „Black Mamba Boy“ ist die Geschichte ihres Vaters, an dem sie sehr hing. Zu hören bekamen die Gäste das zweite Kapitel, in dem die Hauptfigur Jama, ein Straßenjunge, im März 1936 vom Jemen zurück nach Somaliland kommt.
„Der Garten der verlorenen Seelen“ beruht auf den Erzählungen von Nadifas Mutter und kam in Deutschland als ihr erstes Buch heraus. Es handelt von den Dequo, Kawsar und Filsan, drei starken Frauen mit sehr unterschiedlichen Biografien.
Übersetzen sei immer Interpretation und es gebe nie nur eine Übersetzung, erklärte Susann Urban. Man schaffe das Bestehende neu, wobei es kein falsch oder richtig gebe. Übersetzer würden daher auch gerne Autoren aus zweiter Hand genannt. Da Somalia aufgrund von Unruhen kein sicheres Reiseland ist, sei sie bisher nie dort gewesen, erklärte sie. Aber sie nutze natürlich die üblichen Mittel wie Google und vor allem Youtube, um sich ein Bild zu machen. Durch ihre Afrikareisen habe sie außerdem ein Gefühl für „das andere“ bekommen. Den Rest müsse man sich anlesen und aus Erfahrungen schöpfen, erklärte Urban. Auch Karl May habe wunderbare Landschaftsbeschreibungen veröffentlicht, obwohl er bis kurz vor seinem Tod nie in Amerika war.
Wie mit Menschen
Mit Büchern sei es wie mit Menschen, manche mag man auf den ersten Blick, bei manchen dauere es etwas und mit manchen werde man nie warm, erklärte die Übersetzerin weiter. Sie gab auch einen Einblick in ihren Tagesablauf als Freiberuflerin. Morgens lese sie zuerst ihre Mails, um das Gefühl zu haben, mit der Welt in Kontakt zu sein. Denn Übersetzen sei ein sehr einsames Geschäft. Ihr Tagespensum, liege je nach Schwierigkeit zwischen fünf und 15 Seiten.
Schon wenn Urban den zu übersetzenden Roman liest, weiß sie genau, an welchen Stellen sie zu ringen hat, um dem Schicksal der Figuren gerecht zu werden. Besonders Passagen, in denen Gewalt und Grausamkeiten zur Sprache kommen, lassen sie nicht unberührt. Für diese Textstellen brauche sie eine große innere Ruhe, sagte sie.
Susann Urban ist nicht nur Übersetzerin, sie lektoriert auch und gibt selbst Bücher heraus, Wie beispielsweise „Durch Welt und Wiese oder Reisen zu Fuß“ zusammen mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Ilja Trojanow. Zuletzt übersetzte sie eine 620 Seiten starke Biografie über Ghandi anlässlich seines 150. Geburtstages.
Die 12. Baden-Württembergischen Übersetzertage enden morgen, Donnerstag , 20 Uhr, mit „Translation Slam“, einer interaktiven Präsentation mit Isabel Bogdan, Cornelia Holfelder-von der Tann und anderen im Kulturhaus. Danach wird gefeiert. DJ Thomas Bohnet legt ab 21.30 Uhr auf. Info/ Karten: https://kultur.kehl.de, Reservix-Vorverkaufsstellen.