Mit dem Beitritt zum Klimabündnis im Jahr 1995 hat sich die Stadt Kehl zum Ziel gesetzt, ihre Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent zu senken. Durch den Beschluss des Klimaschutzkonzepts im Jahr 2013 wurden diese Ziele bekräftigt. Doch was denken die Bürger zum Thema Klimaschutz? Das wollte die Stadt durch eine anonyme Online-Befragung herausfinden. Bis zum 3. Februar gingen 408 Zuschriften ein. Die Stadtverwaltung wertete nun die ersten Ergebnisse aus.
„Der Klimaschutz ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“: Dieser Aussage stimmen laut Pressemitteilung der Stadt fast 90 Prozent der Teilnehmer zu. Dass der Klimaschutz ihr tägliches Handeln beeinflusst, gaben etwa 55 Prozent an. Nahezu 70 Prozent haben das Gefühl, mit dem eigenen Handeln einen Beitrag für mehr Klimaschutz leisten zu können.
Gut informiert
In lokalen Zeitungen, durch Freunde oder Nachbarn oder über die Homepage der Stadt Kehl informieren sich Kehler oder Menschen, die in der Rheinstadt arbeiten, über die Aktivitäten der Stadt zum Klimaschutz: Die Mobilitätsstationen, an denen man Carsharing-Fahrzeuge oder Fahrräder ausleihen kann, die Tram und den Stadtbus kannten knapp 70 Prozent. Etwas weniger Menschen sind die Maßnahmen zur Stärkung des Radverkehrs in Kehl oder das Repair-Café bekannt.
60 Prozent kennen die Kampagnen „Mein Haus unter der Klimalupe“ oder das Stadtradeln. Über die Sanierung kommunaler Gebäude und Energieberatungen wusste etwas mehr als die Hälfte der Befragten Bescheid, beim Ausbau des Wärmenetzes waren es 50 Prozent. Bei Aktionen in Schulen, dem kommunalen Wärmeplan und den Förderprogrammen für Hauseigentümer oder Mieter fällt der Bekanntheitsgrad unter die 40-Prozent-Marke. 28 Prozent der Teilnehmer gaben an, selten oder gar nicht von städtischen Aktivitäten zum Klimaschutz zu erfahren.
Höherer Anteil an Erneuerbaren
Damit der Anteil der erneuerbaren Energien am Strom- und Wärmeverbrauch gesteigert werden kann, wünschen sich die Kehler einen Ausbau der Photovoltaik, und dies vor allem auf öffentlichen Gebäuden, als Überdachung für große Parkplätze, auf Industrie- und Gewerbehallen, Schulhöfen, Bushaltestellen oder auf Brachland. Hausbesitzer sowie Mieter sollen mit finanziellen Anreizen motiviert werden, PV-Anlagen zu installieren oder Hausdächer energetisch so zu sanieren, dass Photovoltaikmodule installiert werden können.
Abwärme von Industrieunternehmen soll als Heizenergie nutzbar gemacht werden. Zudem wird angeregt, mit kleineren Wasserkraftwerken und Flusswärmepumpen das Rheinwasser zur Energieerzeugung heranzuziehen. Windkraft können sich einige der Teilnehmer an der Befragung im Hafen, in Gewerbegebieten oder auf Rheininseln vorstellen.
Nahverkehr stärken
Ein dichterer Takt im öffentlichen Nahverkehr steht weit oben auf der Wunschliste der Teilnehmer. Die Ortschaften und die Gewerbegebiete sollen besser ins Busnetz eingebunden werden. Kostenlose Buslinien in der Innenstadt, die Einführung eines Ein-Euro-Tickets oder noch günstigerer Tarife werden als Mittel zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV gesehen.
Sichere und durchgehende Radwege bilden ein weiteres Themenfeld, zu dem bei der Umfrage zahlreiche Anregungen eingingen. So wurden der Bau des Radschnellwegs zwischen Offenburg und Straßburg ebenso genannt wie die Einrichtung von Fahrradstraßen mit Vorfahrt für Radfahrer und von der Fahrbahn abgetrennten Radwegen. Beleuchtete Radwege, sichere Abstellanlagen für Fahrräder, auf Radfahrer abgestimmte Ampelschaltungen sowie die Förderung von E-Bikes und Lastenrädern durch Zuschüsse könnten nach Ansicht einiger Teilnehmer das Radfahren in Kehl attraktiver machen.
Weniger Autoverkehr in der Innenstadt, mehr autofreie Bereiche in der Kernstadt, mehr Tempo-30-Zonen, Grünflächen und Radwege anstelle von Parkplätzen und mehr Mobilitätsstationen in den Ortschaften würden die Situation in der Stadt auch für Fußgänger verbessern, heißt es in den Kommentarfeldern der Umfrage.
Bereits umgesetzt
Einige der genannten Ideen sind laut Stadtverwaltung in Kehl bereits umgesetzt. So können sich Einwohner einmal pro Monat von der Ortenauer Energieagentur kostenlos und neutral beraten lassen. Über die städtischen Förderprogramme "Klimaangepasst Wohnen" und "Klimafreundlich Leben" werden unter anderem Balkon-Kraftwerke, Wärmedämmung oder Lastenfahrräder gefördert. Haushalte mit niedrigem Einkommen erhalten für bestimmte Förderbausteine höhere Zuschüsse.
Hintergrund
Gewinnspiel unter den Teilnehmern
Der Fragebogen der Online-Umfrage konnte laut Stadtverwaltung in drei Sprachen ausgefüllt werden: Deutsch (374 Rückläufe), Französisch (26 Rückläufe) oder Englisch (acht Rückläufe). Etwa 40 Prozent der Teilnehmer gab an, in der Kernstadt inklusive Sundheim zu leben, 25 Prozent wohnen in den Ortschaften. Ein Viertel der Antworten stammt von Personen, die in Kehl arbeiten, zehn Prozent gaben einen anderen Bezug zur Stadt an. Mit 55 Prozent stellt die Altersgruppe der 30- bis 60-Jährigen den größten Anteil der Teilnehmer, 25 Prozent waren jünger als 30 und 20 Prozent älter als 60 Jahre.
Unter den Teilnehmern, die fürs Gewinnspiel ihre E-Mail-Adresse angegeben haben, verlost die Stadt Einkaufsgutscheine. Sie möchte die Gewinner demnächst benachrichtigen.
Stichwort
Sorgen und Ängste
Bei allen Themenfeldern haben die Teilnehmer auch die Möglichkeit genutzt, Sorgen und Ängste zu benennen. So wurde die Befürchtung geäußert, dass wohlhabende Haushalte stärker von Förderprogrammen im Bereich Klimaschutz profitieren. Ein noch größerer Anteil an erneuerbaren Energien könnte das Stromnetz destabilisieren oder zu Engpässen führen. Außerdem bestehen Bedenken, dass zu viele naturnahe oder landwirtschaftliche Flächen mit Photovoltaik- oder Windkraftanlagen bebaut werden oder große Wind- oder Solarparks das Landschaftsbild und damit auch den Tourismus beeinträchtigen.
Ängste lösen zudem vermutete hohe Investitionskosten für energetische Sanierungen, Wärmepumpen oder den Anschluss an Fernwärmenetze aus – oder dass Hausbesitzer solche Kosten auf die Mieter umlegen.