
Politischer Plausch bei Kaffee und Kuchen: Die grüne Bundestagskandidatin Ann-Margret Amui-Vedel (Mitte) auf Wahlkampftour in Willstätt.©Nina Saam
Die promovierte Biologin Ann-Margret Amui-Vedel ist zumindest in Kehl keine Unbekannte: Seit zehn Jahren arbeitet sie als Umweltbeauftragte bei der Stadt und ist stellvertretende Leiterin des Bereichs Umwelt bei der Stabsstelle Nachhaltige Stadtentwicklung. Doch Umweltfragen stehen in den Gesprächen im Mühlencafé nicht im Vordergrund: Den größten Anteil an den Diskussionen haben lokale Themen, vor allem die in vielen Bereichen mangelhafte grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Hier in Willstätt kennt man sich: Kehl ist nah und die meisten Teilnehmer kommen aus dem „Dunstkreis“ der Grünen.
Ann-Margret Amui-Vedel ficht das nicht an, sie nimmt es, wie es kommt. Sie setze bewusst nicht auf Großveranstaltungen mit Partei-Granden, sondern toure durch ihren Wahlkreis, um sich mit den unterschiedlichsten Leuten an möglichst vielen Orten zu treffen, erzählt sie. Das sei nicht immer einfach, aber immer spannend und lehrreich: „Wenn man nur auf den Marktplätzen größerer Städte steht und nicht in die kleinen Ortschaften geht, weiß man doch gar nicht, für wen und was man kämpft“, sagt sie. „Ich möchte, wenn ich gewählt werde, möglichst viele Themen der Ortenauer mit nach Berlin nehmen.“
Und so diskutiere sie an einem Termin mit den „Omas for Future“ über die Waffenlieferungen in die Ukraine, am nächsten Tag muss sie sich den bohrenden Fragen der Landwirte zur Agrarpolitik stellen. In Willstätt hatte sie es mit den grenzüberschreitenden Themen vergleichsweise leicht: Amui-Vedel ist Mitglied im Eurodistrikt-Rat und mit einem Franzosen verheiratet, ihre Kinder gehen in Frankreich zur Schule. Die nicht funktionierende rheinübergreifende Gesundheitsversorgung ist ein Thema, das den Gästen auf den Nägeln brennt – vor allem in Hinblick auf die baldige Schließung des Kehler Krankenhauses –, wie auch die Schwierigkeiten deutscher Handwerker, auf der anderen Rheinseite Aufträge annehmen zu können, oder das fehlende grenzüberschreitende ÖPNV-Ticket. „An den Grenzen zu Holland oder Polen klappt das oft besser“, sagt Amui-Vedel. Aber auch an der deutsch-französischen Grenze laufe es anderswo gut, beispielsweise im Saarland, weiß Ludwig Kornmeier, Grünen-Kreisrat aus Appenweier. „Da wäre es gut, eine Abgeordnete in Berlin zu haben, die beide Seiten kennt.“
Auch das Thema Wohnraum kam zur Sprache. Anstatt immer mehr Neubaugebiete auszuweisen und die letzten innerstädtischen Grünflächen zuzubauen, gelte es, Leerstände aufzulösen und alternative Konzepte umzusetzen, zum Beispiel Mehrgenerationenwohnen oder Studenten, die gegen Mithilfe im Haushalt bei Senioren einziehen, die oft allein in größeren Wohnungen oder Häusern leben, so Amui-Vedel.
Fragen zu den ganz großen Linien der Bundespolitik – Wirtschaft, Verteidigung – kamen in Willstätt nicht auf – nur die, mit welcher Partei die Grünen in Berlin koalieren würden. „Diese Frage habe ich letzte Woche noch viel lieber beantwortet, momentan habe ich da ganz großes Bauchweh“, gibt Amui-Vedel zu. Sie habe an Wahlkampfständen Gespräche gehabt mit Bürgern, die sich „völlig schockiert“ zeigten, dass die CDU auf die Stimmen der AfD gesetzt habe, um ihren Antrag durchzubringen. Sie hoffe auf Einsicht bei der CDU, dass dieses Vorgehen nicht akzeptabel war. Im Land würden die beiden Parteien dagegen gut zusammenarbeiten: „Ich finde, wir haben gemeinsam viel im Umweltbereich geschafft“, sagt sie. „In Baden-Württemberg funktioniert Grün-Schwarz gut und es kommt was dabei raus.“ Schade finde sie allerdings den derzeitigen Hickhack um die Erweiterung des Nationalparks.
"Verbotspartei"
Oft sei mangelnde Kommunikation schuld, dass Inhalte falsch rüberkommen und die Grünen als „Verbotspartei“ hingestellt werden. „Wir Grünen müssen da besser werden“, übt sie Selbstkritik. Dass es immer mehr Kommunikationskanäle gebe, die oft „gestauchte Infos“ lieferten, mache dies nicht einfacher. „Das ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit“, so Amui-Vedel. Wichtig sei es, auch mal die eigene Blase zu verlassen und dem anderen zuzuhören.
Mitgliederzuwachs
Dass sich die Leute „wegen Verbrenner-Aus und Heizungsgesetz“ von ihrer Partei abwendeten, kann sie aber nicht bestätigen – im Gegenteil, so viele Mitgliedsanträge wie zur Zeit habe es nie gegeben. „Jedes Mal, wenn wir 20 Neumitglieder gewonnen haben, laden wir sie zu einer kleinen Feier ein“, erzählt sie. Früher sei es alle sechs Monate so weit gewesen. Momentan seien es vier Wochen. In der letzten Woche seien bundesweit 5000 Menschen bei den Grünen eingetreten – nach dem „Migrations-Antrag“ des Friedrich Merz.
Das Thema Migration sei im Übrigen eines, das in ihren Wahlkampfterminen so gut wie nie aufkomme, berichtet Ann-Margret Amui-Vedel.