Die jüngste Sitzung des Ortschaftsrates Goldscheuer fand am Donnerstag nicht wie üblich im Sitzungssaal des Rathauses statt, sondern im Veranstaltungsraum im zweiten Obergeschoss der nahen „Kulturfabrik“. Das hatte seinen Grund: Zu Gast war Nicolas Uhl, Integrationsbeauftragter der Stadt Kehl. Wegen einer speziellen Form des Kleinwuchses sitzt der 33-jährige seit seiner Geburt im Rollstuhl.

Im November traf sich Uhl mit Ortsvorsteher Heinz Rith zur Bestandsaufnahme. Ziel war es, festzustellen, was man in Sachen Barrierefreiheit in der Dreiergemeinde verbessern könnte. Ein zentrales Thema dabei war das Goldscheuerer Rathaus. Denn Menschen, die nicht mehr so mobil sind, stehen, wenn sie das Gebäude betreten wollen, vor einigen Hürden. So ist der Haupteingang nur über eine mehrstufige Treppe zu erreichen. Und selbst wenn sie es ins Gebäude geschafft haben, wartet gleich die nächste kleine Treppe, die ihnen den Zugang zum Bürgerbüro und zum Sitzungssaal erschwert.

Eine Rolli-Rampe oder ein Aufzug am oder im Gebäude ist jedoch schwierig und wäre nur mit großem Kostenaufwand machbar. Auch für einen Treppenlift, um in die oberen Räume zu gelangen, ist es wohl zu eng. Den Veranstaltungsraum in der „Kulturfabrik“ hingegen kann auch Uhl aus eigener Kraft erreichen: Eine Rampe führt vom Parkplatz zum Haupteingang, und von drinnen gelangt man mühelos zur Tür des angebauten Aufzugsschachts, von dem aus alle Stockwerke und auch die Toiletten barrierefrei zu erreichen sind.

Kein Internet-Zugang

Uhl empfahl, Ratssitzungen wenigstens teilweise in der „Kulturfabrik“ abzuhalten. Auch für „einfache“ Anliegen der Bürger könne man Räume in der „Kulturfabrik“ nutzen. Allerdings fehlt dort noch ein Internet-Zugang. Rita Rennwald (Leben im Dorf) begrüßte den Vorschlag. Politik sei zu wichtig – da dürfe man niemanden ausschließen. „Der Aufwand wäre es wert.“

Am alten Rathaus gibt es immerhin eine Klingel, mit deren Hilfe man einen Mitarbeiter anfordern kann, der einem hilft, ins Gebäude zu gelangen. Allerdings ist das Gebäude von einem Bordstein umrahmt. „Ich komm‘ da gar nicht ran“, so Uhl. Er schlug daher vor, vor dem Haupteingang eine Stele aufzustellen und die Klingel dort zu installieren. An dieser Stele sollte dann auch ein Schild angebracht werden, das transparent macht, für welche Anliegen behinderte Menschen das Rathaus oder die „Kulturfabrik“ aufsuchen müssen, wofür man einen Hausbesuch vereinbaren kann und für welche Anliegen man nach Kehl aufs Rathaus fahren muss. Und schließlich gibt es bislang keinen Behindertenparkplatz am Goldscheuerer Rathaus. Dies kann die Ortsverwaltung jedoch selbst beauftragen.

Vorbild Ortenberg

Was in Sachen Barrierefreiheit alles gehen kann, habe etwa die Gemeinde Ortenberg gezeigt, so Thomas Reichert aus Goldscheuer, der dem Expertengremium angehört, das den Behindertenbeirat des Ortenaukreises unterstützt, und der ebenfalls im Rollstuhl sitzt. Dort ist inzwischen fast der gesamte Ortskern barrierefrei. Im Kehler Süden hat sich zwar auch schon einiges getan – Luft nach oben gibt’s dennoch genug. Denis Arnold (CDU/Bürgerforum) erwähnte etwa die Postagentur; auch erinnerte er daran, dass es nicht eine einzige barrierefreie Arztpraxis im Kehler Süden gibt. Auch stehe der Denkmalschutz manchen Umbaumaßnahmen im Weg, so Uhl – für Rolf Sigg (SPD/Bürgerliste) ein Unding.

Inklusion sei ein Prozess, der immer weitergeht, so Nicolas Uhls Fazit. „Aber man muss sich auf den Weg machen.“