Der Papst ist wieder im Vatikan. Mehr als zweieinhalb Wochen lag er im Gemelli-Krankenhaus von Rom, im zehnten Stock, dort, wo sie Päpste behandeln. Jetzt ist er zurück in seiner alten Umgebung. Alle reden darüber, ob er an Ostern den Segen Urbi et Orbi sprechen kann.
Er kann es schließlich nicht. Die große Messe auf dem Petersplatz hält ein Kardinal, dann öffnet sich im Apostolischen Palast ein Fenster. Tatsächlich erteilt der Pontifex mit der rechten Hand der Stadt Rom und dem Rest der Welt seinen Segen. Aber die Stimme versagt.
So war das Ende März 2005. Es war das letzte Osterfest von Johannes Paul II., dem Papst aus Polen, der mehr als ein Vierteljahrhundert an der Spitze der katholischen Kirche stand. Mit dem Auftritt am Fenster machte Karol Wojtyla noch einmal deutlich, dass Leiden und Alter im christlichen Glauben nichts ist, was man verstecken muss. Er ließ die ganze Welt zusehen. Wenige Tage danach war er tot. Am Mittwoch (2. April) ist das genau 20 Jahre her.
Franziskus bei Gedenk-Gottesdienst nicht dabei
Nun darf man das mit den Parallelen keinesfalls übertreiben. Der heutige Papst Franziskus ist nach allem, was man weiß, in deutlich besserer Verfassung als es sein Vorvorgänger war, auch wenn ihm das Sprechen nach überstandener Lungenentzündung ebenfalls schwerfällt. Aber selbstverständlich erinnern sich im Vatikan jetzt viele an jene Tage. Wieder ist offen, ob der Pontifex an Ostern den Segen sprechen kann. Am Mittwoch, beim Gedenk-Gottesdienst für Johannes Paul II. im Petersdom, ist er jedenfalls nicht dabei.
Der Papst aus dem Osten, der erste Nicht-Italiener seit Jahrhunderten, prägte die katholische Kirche noch stärker als der Argentinier Jorge Mario Bergoglio. Wojtyla war nach dem plötzlichen Tod von Johannes Paul I. - er amtierte nur 33 Tage - 26 Jahre lang Oberhaupt der Katholiken. Franziskus, inzwischen 88, steht bei der Hälfte.
Ein Papst von großer Bedeutung - auch in der Politik
Die beiden ähneln sich in manchem. Auch der Pole war kein Papst, der hinter den Mauern seines Kirchenstaats blieb. Auch ihn zog es zu den Menschen, selbst nach dem Attentat 1981 auf dem Petersplatz. Anfangs fuhr er sogar noch Ski. Bis ins hohe Alter reiste er durch die Welt. Hinter dem konzilianten Auftreten befanden sich streng konservative Ansichten, ob es um die «Theologie der Befreiung» ging oder ums Zölibat. Die Kritik, dass er nichts gegen die vielen Missbrauchsskandale seiner Kirche unternahm, ist heute groß.
Johannes Paul II. (Wahlspruch: «Fürchtet Euch nicht») war vor allem auch ein politisches Kirchenoberhaupt. Bei der ersten Reise in seine damals noch kommunistisch regierte Heimat rief er 1979 in Warschau Hunderttausenden zu: «Dein Geist komme und erneuere die Erde – diese Erde!» Viele sahen darin einen Aufruf, das System zu ändern. Ein Jahr später streikten die Werftarbeiter in Danzig. Ein Jahrzehnt danach fiel die Mauer in Berlin. Die Meinung, dass die Geschichte ohne diesen Papst anders verlaufen wäre, ist verbreitet.
«Lasst mich ins Haus des Vaters gehen»
Auch Kapitalismuskritik war ihm nicht fremd, so wie Franziskus. Er haderte mit Materialismus und Egoismus, kritisierte die Ausnutzung der Armen, ergriff das Wort gegen Todesstrafe und Krieg. Nachdem Juden jahrhundertelang als «Mörder Christi» bezeichnet wurden, sprach er von den «älteren Brüdern im Glauben». Sein «Mea Culpa» 2000 war Schuldbekenntnis für Verfehlungen seiner Kirche wie Glaubenskriege, Inquisition und Judenverfolgung.
In seinen letzten Jahren litt Johannes Paul II. sehr: Gicht, Parkinson, Arthritis. Ins Gemelli musste er so oft, dass er die Klinik als Neben-Vatikan bezeichnete. Anfang 2005 verschlechterte sich sein Zustand dramatisch. Wegen seiner Atemnot musste er einen Luftröhrenschnitt über sich ergehen lassen. Zuletzt wurde er durch eine Sonde in der Nase künstlich ernährt. Die letzten überlieferten Worte des 84-Jährigen vom Tag seines Todes lauten: «Lasst mich ins Haus des Vaters gehen!» Abends um 21.37 Uhr war es so weit.
Grab im Petersdom gehört zu meistbesuchten Orten
Keine zehn Jahre danach sprach Franziskus seinen Vorvorgänger heilig - so schnell wie noch niemanden. Dafür wurden die Heilung einer Nonne von Parkinson sowie einer Frau aus Costa Rica, die eine Gehirnerkrankung überstand, als Wunder von Johannes Paul II. anerkannt. Bis heute wird er von vielen hochverehrt. Sein Grab im Petersdom, in der Kapelle des Heiligen Sebastians unter dem Altar, gehört im Vatikan zu den meistbesuchten Orten.
Franziskus stellte seinen Vorvorgänger mehrfach als Vorbild heraus, auch wegen dessen Umgang mit körperlichen Gebrechen. Johannes Paul II. habe gezeigt, dass man «selbst in der schweren Prüfung der Krankheit, die wir täglich mit dem menschgewordenen Gott teilen», glücklich bleiben könne. Als der Pontifex jetzt selbst 38 Tage lang im Gemelli lag, wo inzwischen ein Denkmal für Johannes Paul II. steht, gab es dort immer wieder Gebete für ihn.
Seit seiner Entlassung vor eineinhalb Wochen wird Franziskus nun in seiner Residenz Casa Marta im Vatikan behandelt. In der Öffentlichkeit hat man ihn seither nicht mehr gesehen. Auf Empfehlung der Ärzte soll er sich bis mindestens Mitte Mai schonen. Über einen Schlauch in der Nase wird er weiterhin mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt. Aus seiner Umgebung verlautete, der Papst sei trotz allem guter Laune.