Die am 18. Januar in Kehl gegründete Deutsch-Ukrainische Gesellschaft Ortenau (DUGO) möchte nicht nur den ukrainischen Flüchtlingen in der Kehler Region helfen, sondern auch zur Völkerverständigung beitragen. Die Kehler Zeitung sprach mit vier Vorstandmitgliedern über ihre Pläne.

Welche sind die prioritären Ziele der DUGO?

Martin Kujawa: Wir möchten die Zusammenarbeit von Menschen und Institutionen in der Ortenau und der Ukraine auf ihrem Weg in die EU unterstützen. Und wir wollen Ukrainer, die hier sind, ermutigen, sich daran zu beteiligen. Wir sind vielen Leuten begegnet, die Interesse an einer Zusammenarbeit hätten – und in der gegenwärtigen Situation ist es von großer Bedeutung, wenn unsere Solidarität mit der Ukraine sich auch darin äußert, dass wir unsere Hände zur Zusammenarbeit und Begegnung ausstrecken. Dabei wollen wir nicht nur selbst aktiv sein, sondern auch andere Institutionen dazu ermutigen und sie bei ihren ersten Schritten unterstützen. Die Zusammenarbeit kann im zivilgesellschaftlichen, kulturellen und im Bildungsbereich sein.

Haben Sie bereits konkrete Projekte?

Margarita Koshyl: Es gibt viele Ideen, vor allem was die Kultur angeht. Wir möchten in Kooperation mit ukrainischen Partnern Vorträge, Filmvorführungen, Ausstellungen, Studienreisen sowie Partnerschaften zwischen Schulen, Hochschulen und Kulturinstitutionen organisieren, oder einfach nur Begegnungen zwischen Menschen fördern – zum Beispiel einen Schüleraustausch zwischen Ukraine und Deutschland.

Sie möchten also dazu beitragen, dass man die ukrainische Kultur und das
Land besser kennenlernt?

Koshyl: Ja, das ist uns sehr wichtig. Denn die Ukraine hat schwere Zeiten hinter sich. Die Sowjetunion hatte in 150 Gesetzen unsere Sprache und Kultur verboten, aber unsere großen Künstler und Wissenschaftler vereinnahmt: Es hieß, sie seien Russen gewesen. Und trotzdem sind wir und unsere Kultur immer noch da. Es gibt vieles, das man im Abendland über die Ukraine nicht kennt. Wir wollen nicht dauernd über den Krieg sprechen, sondern auch über unsere Musik, Literatur, die bildende Kunst und den ukrainischen Film, über Bräuche und Traditionen. Wir wünschen uns, dass die Deutschen unsere Städte und das Land besuchen und dass die ukrainische Sprache in Deutschland an der Uni unterrichtet werden kann.

Wie wollen Sie diesen Berg an Aufgaben angehen?

Hans-Jürgen Schneider: Wir sind zwölf Gründungsmitglieder, aber wir werden wachsen und unterschiedliche Interessenschwerpunkte bilden. Wir wollen eine Plattform werden, auf dem sich Interessierte begegnen und verschiedene Gruppen bilden können, die selbständig Projekte realisieren – während wir koordinieren, zusammenführen, vernetzen, informieren. In Freiburg gibt es seit 2022 eine Deutsch-Ukrainische Gesellschaft, die schon viel Erfahrung gesammelt hat. Wir wollen uns mit solchen Organisationen vernetzen und von ihnen lernen. Auch die DUG Freiburg ist an einem Gedankenaustausch interessiert.

Volodymyr Khmura: Es wäre auch wichtig, dass ukrainische und deutsche Unternehmen in Kontakt kommen und mitarbeiten können. Menschen mit den entsprechenden Kompetenzen und realisierbaren Ideen sind willkommen.

Schneider: Ja, wir wollen auch im wirtschaftlichen Bereich eine Kommunikationsplattform werden – zum Beispiel, wenn Firmen Mitarbeiter suchen, Support bieten.

Wie kann man mitarbeiten?

Kujawa: Mir ist es wichtig, dass wir ein offener Verein sind, auch für Menschen anderer Nationalitäten, die hier leben. In Kürze planen wir ein Treffen, bei dem wir in einer "Zukunftswerkstatt" Ideen für Projekte und Veranstaltungen sammeln und diskutieren. Ein besonderes Anliegen ist uns auch die ukrainische Sprache. Die Sprache eines Landes zu lernen öffnet viele Türen.

Schneider: Wir können dabei auch vom Wissen anderer profitieren und müssen nicht das Rad neu erfinden. In Freiburg gibt es beispielsweise den Laden „S’Einlädele“, das seit 31 Jahren Beziehungen nach Kiew hat. Die haben 31 Jahre Vorsprung.

Kujawa: Für mich sind die deutsch-polnischen Gesellschaften ein Vorbild. Es gibt sehr viele davon in Deutschland, einige bereits seit den 70er-Jahren. Auch sie wollen die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und die europäische Integration stärken. Hierfür brauchen wir einen langen Atem, denn vieles ist in der Ukraine anders organisiert als hier. Und es herrscht leider weiterhin Krieg.

Nichtsdestotrotz möchten wir unsere Kontakte zu Organisationen in der Ukraine vertiefen und erweitern. Der Direktor einer Lemberger Schule schreib mir eine Weihnachtskarte, die mich sehr bewegt hat. Diese Schule ist offen für gemeinsame Projekte. Das wird nicht ganz leicht – aber was ist schon leicht?