Der Name war Programm: Ein großes Euro-E ziert immer noch "ihr" Lokal und die Visitenkarte der anspruchsvollen Bar European Ecke Goldscheuerstraße/Friedrichstraße. Auf den Parkbuchten davor meist etliche 67er unter den KELer und OGlern. Drinnen hatte es sich französisch, elsässisch, deutsch gekauderwelscht, manchmal sogar spanisch oder auch letzeburgisch. Internationales Flair also zu gedämpfter Jazzmusik, drei gekonnt gemalten Affen und sportivem Plasma-TV.
Grand Dame
Bernadette Hopfner, die Grand Dame am Zapfhahn und am Weinglas, war allgegenwärtig. Die Ohren bei den Gästen, die Seele an der Bar, die Hände am Zapfhahn, immer hochkonzentriert hinterm Tresen kauernd und immer bestens informiert. Sie wusste, wo die guten linksrheinischen Weine wachsen und wer mit wem und wer nicht mehr. Sie war der Fleisch gewordene Restaurantführer für Straßburg und das halbe Elsass, sie wusste, wer der beste linksrheinische Winzer war und wer iwwerm Rhin dem Dutzend Escargots das beste Knowwli-Aroma verpasst hatte.
Sie vergab virtuelle Sterne für den allerfeinsten Kartoffelbrei im Pont des Vosges und dem langen Schlacks im Musauer Stübel, sie kannte die Koryphäen und den würzigsten Zwiebelbauer auf der anderen Rheinseite.
Man kann mit Fug und Recht sagen: Sie war das leibhaftige "European" – ein guter Platz für Weltoffene und Nachtschwärmer. Ihr European Cafe – ein gutes Plätzchen zur Feier des Alltags.
Dennoch war – bis auf meistens freitags, wenn Kehls Ex-Milchkutschenkoch Claude Lievre (auch Franzose) dort die allerbesten Calamares im geilen Knowwlisöößel schwimmen ließ – ihr "European" kein Restaurant. Aber eine Bar mit Niveau, in der niemand verdursten musste.
Die am 12. April 1949 geborene Bernadette, die bis 2001 Chefin im Sundemer Schwanen war, war eigentlich hinter ihrem European-Tresen so gut wie angewachsen. Denn dort, im European, war ihr Wohn- und manchmal sogar ihr Schlafzimmer, wenn ihr die Füße weh taten und sie nicht mehr die 150 Meter zu ihrer Wohnung bis vor an die Hauptstraße (fahren) wollte oder konnte.
Wenn mal einer ihr nicht so ganz in den Kram passte, konnte sie aber hinter ihrem Tresen auch ganz schön kratzbürstig werden. Kratzbürste und gute Seele, mal spendabel, mal überknauserig. Sie hatte – so einige ihrer Gäste – ein wirklich gutes Herz, aber man musste schon ziemlich arg kratzen, um das auch zu entdecken.
Verwaiste Bar
Seit ein paar Wochen ist das European nun verwaist. Dessen Gralshüterin hatte eine schmerzhafte Odyssee vor sich, die kurz vor Weihnachten Mitte Dezember 2024 ihren Anfang nahm. Krankenhaus. Kurzzeitpflege, Schmerzen, offene Beine, aber immer noch ein offenes Herz – mit dem ihr eigenen Optimismus und jenem Elan, der sie zur Fleisch gewordenen Kehler Cafe-Bar werden ließ. Doch aus ihrem jovialen "Höre, ihr Bibbele! Wenn ich do bald widder drusse bin, trinke ma einer" wurde letztendlich nix mehr. Am 2. März schloss Bernadette für immer ihre Augen.
Gestern fand auf dem Kehler Friedhof die Trauerfeier für Bernadette Hopfner statt – mit ihrem Sohn Marc, ihren Familienangehörigen, ein paar von ihren Lieblingsliedern und einigen ihrer Lieblings-Stammgästen, die der fast 76-jährigen Bernadette Hopfner ein allerletztes Mal ihre Wertschätzung offenbaren wollten, im festen Glauben, dass die liebenswerte Kratzbürste jetzt ihrem lang schon verstorbenen geliebten Gatten Paul endlich dessen Buckel kratzen kann.