Sang- und klanglos durfte man das Jubiläum zum zehnjährigen Bestehen der Stadtbibliothek Achern an neuem Standort natürlich nicht vorüberziehen lassen. 2015 war man vom Untergeschoss der Achertalschule in die lichtdurchfluteten zwei Etagen des Rathauses am Markt gezogen: Ein Umzug in die Moderne sozusagen, mit rund 35.000 Medienexemplaren und vier Internet PCs mit frei zugänglichem WLAN.

Viele Veranstaltungen

Es sollte auch nicht nur ein Tag des Begehens werden, sondern gleich eine ganze Reihe von Veranstaltungen, Lesekreisen und Diskussionen. Den Auftakt machte am Samstagabend eine Autorenlesung mit Anika Landsteiner.

Die findige Idee war, deren Roman „Nachts erzähle ich dir alles“ in den Fokus zu rücken, die Leute zum Lesen ihres Buches zu animieren und anschließend zur Diskussion darüber einzuladen, und das alles unter der Überschrift „Achern liest ein Buch“. Das verhilft natürlich nicht nur der Autorin zu mehr Aufmerksamkeit, sondern stellt auch eine allgemeine Aufmunterung zum Bücherlesen dar – und das wiederum zum Weg in die Bibliothek. Es sind zwei weitere Lesekreise geplant (11. April Bürgersaal und 6. Mai Buchhandlung Osiander) und am 22. Mai dann ein erneutes Treffen mit der Autorin für eventuelle Fragen beziehungsweise Diskussionen über ihren Roman.

Um es gleich vorwegzunehmen: „Nachts erzähle ich dir alles“ ist kein Sesselkraller! Das ist freilich auch keine unabdingbare Voraussetzung für einen gelungenen Roman. Eher ist hier, wie ganz allgemein, die Geschmacksfrage entscheidend, und die ist nun mal nicht diskutabel.

Anika Landsteiner hat in ihrer Geschichte um Léa, die eine kaputte Beziehung hinter sich hat, an die Côte d'Azur flüchtet und dort die 16-jährige schwangere Alice trifft, die wenig später im Krankenhaus stirbt, viele eigene Empfindungen verarbeitet, wie sie ihren Zuhörern offenbart. Sie unterbricht des Öfteren kurz ihre Lesung und erläutert die Zusammenhänge.

Irgendwann steht dann noch der Bruder von Alice vor ihrer Tür, ein Journalist, und der möchte verstehen, was da wirklich geschehen ist. Auftakt für viele Gespräche um „Schuld, Angst und Schweigen“, vor allem des Nachts, wo man sich laut der Autorin offenbar mehr zu sagen traut als tagsüber.

Das alles ist ganz nett aufbereitet, wenngleich zuweilen etwas konstruiert („zwischen flachen Atemzügen stieß das Wissen hindurch“, „zwischen zwei Felsen schimmerte das Meer sehr angeberisch“) und detailversessen, so dass wahrscheinlich nur der gerne weiterblättert, den die nicht unbedingt dramatische Geschichte tatsächlich interessiert. Womit wir wieder bei der Geschmacksfrage wären.

Die Auseinandersetzung der Autorin mit ihren Figuren ist die äußerst subjektive Beschreibung von Beziehungsgeflechten, die durchaus nachvollziehbar sind, ihre wirkliche Bedeutung aber nur im eigenen Erleben entfalten können. Und man glaubt Anika Landsteiner ihr Engagement und Interesse für – wie es im Werbeflyer heißt – „gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur“. Zudem wirkt die 37 Jahre junge Autorin nicht unsympathisch, verfügt über eine passable Lesestimme und man kann ihr zuhören (was leider nicht bei jeder Autorenlesung der Fall ist). So wäre das abschließende Treffen mit Anika Landsteiner am 22. Mai insofern von Interesse, als es die Resonanz auf ihren Roman widerspiegelt. Viele Besucher wären ihr jedenfalls zu wünschen.

Am Ende der Lesung steht die Autorin zu Fragen zu Verfügung, und sie signiert selbstverständlich auch ihre Werke, die zum Verkauf bereitliegen: „Mein italienischer Vater“, „So wie du mich kennst“ und „Nachts erzähle ich dir alles“.