Interview des Tages: Stefan Räpple

Der unbequeme Stefan Räpple

Christoph Rigling
Lesezeit 9 Minuten
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26. March 2016

Stefan Räpple vor der Deutschland-Fahne. Der AfD-Politiker hat ein Landtagsmandat bei der Wahl am 13. März errungen. ©Stephan Hund

Der Landtagsabgeordnete der Alternative für Deutschland (AfD) Stefan Räpple aus Bad Peterstal zeichnet im Interview gegenüber der Mittelbadischen Presse das Bild einer »halben Demokratie« und benennt die etablierten Parteien als Verfassungsfeinde, die das Grundgesetz nicht einhalten. Sich selbst bezeichnet er als unbequemen Menschen - auch in der AfD
 

Herr Räpple, bringt das Landtagsmandat Ihre Lebensplanung durcheinander?
Räpple:
Schon ein wenig. Ich wollte meine beiden Hypnosetherapiepraxen in Bad Peterstal und Freiburg weiter ausbauen. Die Patienten stehen Schlange, weil ich im Wahlkampf keine Termine mehr angenommen habe. Das ist schwierig.

Geben Sie die Praxen jetzt auf? Baden-Württemberg hat ja schließlich ein Vollzeitparlament.
Räpple:
Nein, das werde ich nicht. Ich darf in einem gewissen Ausmaß Nebentätigkeiten ausüben. Mir ist es auch wichtig, weiter im Berufsleben zu bleiben. Die Berufsferne der meisten Parlamentarier gehört auch zu den Punkten, warum die Politik so weit weg ist von den Menschen.

Warum sind Sie denn nicht Lehrer geworden – Sie haben das ja studiert?
Räpple:
Dann wäre ich Teil des Systems geworden, das ich nicht mag. Ich habe eine abgeschlossene Konditorausbildung. Diese Ausbildung war besser als die Lehrerausbildung. Diese war völlig praxisfern. Da wird man von Leuten ausgebildet, die noch nie selbst unterrichtet haben. Das war richtig schlecht. Das ist auch der Grund, warum ich politisch geworden bin. Ich will die Lehrerausbildung mit mehr Praxisbezug.

Ganz so schlimm kann das Bildungssystem jetzt nicht sein. Immerhin sind wir eine der führenden Exportnationen und gehören zu den wohlhabendsten Staaten.
Räpple:
Mir geht es nicht um das System, sondern um die Menschen, die es umsetzen. Die Qualität von Junglehrern wird von Jahr zu Jahr schlechter. Die Ausbildung der Lehrer muss unbedingt verbessert werden. Und ich sehe in unserer Bildungslandschaft einen großen Rückschritt. Mir ist da zu viel Laissez-faire eingezogen. Erzogen wird kaum noch. Den Kindern wird nicht mehr die Welt erklärt, sondern sie werden gefragt, wie die Welt aussehen sollte. Da werden Kinder überfordert. Die antiautoritäre Erziehung verurteile ich.

Sie hätten gern mehr Zug beim Erziehen?
Räpple:
Ja, und die Kinder lieben das auch. In meinen freiwilligen Praktika haben mich die Kinder geliebt. Ich habe mir bis auf Sonderschulen alles angeschaut. Und es kommt auf die Lehrer an. Wenn die keine Disziplin vermitteln, findet auch keine Bildung statt.

Sie haben ja viel ausprobiert. Sie waren sogar auf dem Abendgymnasium. Sind Sie ein Suchender?
Räpple:
Sagen wir, ich bin sehr neugierig.

Und was suchen Sie?
Räpple:
Ich möchte der Gesellschaft effektiv helfen. Das ist mein Anliegen. Schon in der Schule wollte ich den Schülern helfen. Auch mit meiner Hypnosetherapie möchte ich Menschen helfen, ein neues Leben zu beginnen. Und mit meinem Landtagsmandat möchte ich dem Volk helfen, durch Abstimmungen wieder mehr Einfluss auf die Politik ausüben zu können.

Ihr ehemaliger Kollege Robert von Radetzky, der jetzt in der Alfa ist, sieht Sie beruflich als gescheitert an. Stören Sie solche Einlassungen?
Räpple:
Nein, ich bin mit meiner Praxis sehr erfolgreich. Ich weiß nicht, ob er als Historiker da mithalten kann. Da ist eine Portion Neid dabei.

Sie werden 7500 Euro verdienen. Für manche ist das ein Grund, in die Politik zu gehen. Für Sie auch?
Räpple:
Nein. Ich will auch das Geld, das ich für meine politische Arbeit im Parlament nicht benötige, in eine von mir noch zu gründende Stiftung stecken. Die Stiftung soll dann soziale Projekte mitfinanzieren. Andere Abgeordnete können dabei gerne mitmachen.

Für was stehen Sie in der AfD?
Räpple
: Ich stehe für mehr Bürgernähe und direkte Demokratie. Und das fordere ich nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die AfD. Ich bin auch in der AfD sehr unbequem, weil ich schon immer gegen Karrieristen gekämpft habe, gegen Leute, die nur Politik machen, um Geld zu verdienen. Ich bin nicht bei jedermann beliebt in der Partei.

Gehören Sie eher dem moderaten Flügel von Jörg Meuthen in Baden-Württemberg an oder doch zu den Scharfmachern um Björn Höcke aus Thüringen?
Räpple:
Ich mag diese Flügeldenken nicht. Ich bin mit der Oppositionsarbeit von Björn Höcke sehr zufrieden, aber genauso bin ich mit der Arbeit von Jörg Meuthen hier in Baden-Württemberg zufrieden.

Haben Sie jetzt Ihr Mandat wegen der Flüchtlingsdebatte gewonnen oder punktet die AfD noch mit anderen Themen?
Räpple:
Natürlich hat das Flüchtlingsthema uns Wählerstimmen gebracht, die wir sonst nicht bekommen hätten – vor allem aus dem Nichtwählerbereich. Das Thema hat Menschen dazu gebracht, sich mit uns und unserem guten Wahlprogramm zu beschäftigen. Es ist uns gelungen, viele Nichtwähler an die Wahlurnen zu bringen. Das ist enorm, wenn man bedenkt wie wir von den Medien, auch von Ihrer Zeitung, durch den Dreck gezogen worden sind. Insofern haben unsere 15 Prozent mehr Substanz, als durch das Thema Asyl möglich gewesen wäre.

Der AfD werden rechtspopulistische Tendenzen zugesagt. Sie sehen das bestimmt anders, oder?
Räpple:
Ich halte diese Denkweise in Links und Rechts für einen Fehler. Das politische Spektrum ist nicht zweidimensional, sondern vielschichtiger. Ich finde zum Beispiel den Gegensatz zwischen Liberalismus und Etatismus viel wichtiger.

Wie meinen Sie das?
Räpple:
Wir halten das Individuum für wichtiger als Staat und Kollektiv. Wir sind eine liberale Partei. Der Nationalsozialismus hat zum Beispiel Staat und Kollektiv bevorzugt. Das machen auch Linke. Insofern greift das Links-Rechts-Schema nicht. Das ist nur dazu da, die Gesellschaft zu spalten, damit die Mächtigen wie Banken, Pharmaindustrie, Rüstungskonzerne in Ruhe ihr Geld vermehren können.

Neulich sprachen Sie von einer halben Demokratie, in der wir leben. Die AfD beschwört gerne den Untergang des Abendlandes herauf. Allerdings leben wir in einem funktionierenden Rechtsstaat. Jeder kann sein Recht einklagen, jeder kann seine Meinung kundtun, auch wenn sie noch so krude daher kommt. Ich will gar nicht von unserer Wirtschaftskraft und unserem Wohlstand sprechen. Wie kann man da von einer halben Demokratie sprechen?
Räpple:
Das sage nicht ich, sondern das Grundgesetz.

Wirklich?
Räpple:
Da steht »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt.« Wir haben momentan nur ein Wahlgesetz. Volksabstimmungen sind nur in den Ländern und Kommunen begrenzt möglich. Und das mit unrealistischen Auflagen. Wir haben keine vollständige Demokratie in Deutschland. Zu den Parlamenten brauchen wir das Korrektiv der Volksabstimmung. Das Volk muss wie ein Aufsichtsrat sein, das sein Veto einlegen kann. Parteien, die Volksabstimmungen verhindern, handeln verfassungswidrig. Die gehören vom Verfassungsschutz beobachtet. Unserer Verfassung verlangt beides – Parlament und Volksabstimmung.

Also, alle Parteien, die zurzeit in den Parlamenten sitzen – außer die AfD – sind Verfassungsfeinde?
Räpple:
Ja richtig. Diese Parteien müssen sich fragen, ob sie noch auf dem Boden der Verfassung stehen.

Schießen Sie mit Ihrer durchaus berechtigten Kritik an den fehlenden Volksabstimmungen argumentativ nicht mit Kanonen auf Spatzen? Union und SPD als Verfassungsfeinde abzustempeln, das ist doch aberwitzig.
Räpple:
Nein, wir sind doch die Spatzen. Die etablierten Parteien haben die Medien als Kanonen. Ich habe als Opposition die Aufgabe, auf Missstände hinzuweisen. Und wenn es das Grundgesetz betrifft, dann muss klar Position bezogen werden. Das Grundgesetz ist uns in der AfD heilig.

Über was wollen Sie denn abstimmen lassen?
Räpple:
Ich über nichts. Das Volk muss die Abstimmungen wollen.

Sie wollen so was wie in der Schweiz?
Räpple:
Ja genau.

Aber wir haben eine repräsentative Demokratie. Also nach meinem Kenntnisstand legt die Verfassung ihr Hauptaugenmerk in Artikel 20 auf das repräsentative Element der gesetzgebenden Verfassungsorgane Bundesrat und Bundestag. Das mit der Abstimmung ist ein Halbsatz und nur bei Länderneuordnungen zulässig – so sehen das mehrheitlich Verfassungsrechtler.
Räpple:
Also, das als Halbsatz abzutun? Das Grundgesetz ist nicht verhandelbar. Sie als Journalist sollten sich schon ans Grundgesetz halten.

Ich versuche zu erklären, dass der Artikel in der Rechtsprechung anders ausgelegt wird, als Sie es gerne hätten. Aber mal was anderes: Stimmt es, dass Sie Mitglied der Bürgerwehr Ortenau sind?
Räpple:
Ich bin kein Mitglied. Das ist auch kein Verein. Ich bin in der Facebook-Gruppe wie 1500 andere Leute auch. Auch Kollegen von Ihnen sind dabei.

Die beobachten die Gruppe wie es der Verfassungsschutz auch tut. Sie haben Wahlkampfhelfer und Saalordner unter den Mitgliedern rekrutiert. Richtig?
Räpple:
Viele der Mitglieder finden die AfD gut. Die legen wie wir sehr viel Wert auf innere Sicherheit. Ich habe in der Gruppe inseriert wie in anderen, in denen ich Mitglied bin. Die AfD hat keine Millionen von Wirtschafts- und Rüstungskonzernen, um sich einen Wahlkampf wie die etablierten Parteien leisten zu können.

Aber Sie wissen schon, dass da Leute dabei sind, die an den Führer glauben?
Räpple:
Das weiß ich nicht. Ich verfolge die Gruppe auch nicht weiter. Es ist sicherlich richtig, dass es dort Leute gibt, die sich nicht politisch korrekt äußern. Ich bin selbst in der Backstube gestanden, auch da wird ein anderer Ductus gepflegt als in akademischen Kreisen. Man darf die einfache Stimme des Arbeiters als Politiker nicht verdrängen. Man muss sich fragen, was hinter den radikalen Hilferufen steht, welcher politischen Fehlentscheidung sie entspringen.

Die Bürgerwehr kratzt am staatlichen Gewaltmonopol, das übrigens auch im Grundgesetz verankert ist. Das kann Ihnen nicht gefallen, oder?
Räpple:
Natürlich ist die AfD klar für das Gewaltmonopol des Staates. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich der Staat an die geltenden Gesetze hält. Macht er das nicht, greift wieder Artikel 20. »Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.« Wir haben durch die offene Grenze einen eklatanten Rechtsbruch. Wenn das Schengen-Abkommen nicht funktioniert, brauchen wir wieder nationale Grenzen. Die Regierung verstößt gegen die Ordnung. Und da ist Widerstand ein Akt der Notwehr.

Sie rufen jetzt zum politischen Widerstand auf?
Räpple:
Nein, jetzt noch nicht. Es gibt noch keine terroristischen Anschläge. Soziale Unruhen und Bürgerkrieg sind noch weit entfernt.

Und wie sieht dann der Widerstand aus?
Räpple
: Also, wenn bewaffnete Truppen durch unsere Straßen fahren und auf Bürger schießen, dann werde ich zum Widerstand aufrufen.

Das hört sich jetzt schon nach Science-fiction an.
Räpple:
Das haben schon viele gesagt. Ich habe mal Geschichte auf Lehramt studiert. In den Goldenen Zwanzigern konnte man sich auch nicht vorstellen, was dann ein paar Jahre später passiert ist.

Zur Person

Vom Konditor zum Hypnotiseur

Der 34-jährige Stefan Räpple hat in Freiburg und Bad Peterstal eine Hypnose-Praxis mit dem Namen »Räpple Hypnose«. Er stammt aus Bad Peterstal und hat im elterlichen »Café Räpple« Konditor gelernt (2001). Auf dem Abendgymnasium machte er sein Abitur. Sein Lehramtsstudium in den Fächern Mathematik, Geographie und Geschichte blieb ohne Abschluss (2008). Seine Ausbildung zum Hypnoanalytiker und zum Heilpraktiker für Psychotherapie mündete in die Eröffnung einer eigenen Therapiepraxis (2015). In seinem Wahlkreis Kehl erhielt er 15 Prozent der Stimmen. Er beobachtet in Oberkirch das Auszählen der Stimmen. Auf Facebook hat Räpple eine offizielle Seite mit knapp 550 Likes. Dort bestätigt er, dass die AfD für die Abschaffung des Klimaschutzes und von Gleichstellungsbeauftragten ist. 

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