In der Zelle für Kriminelle

(Bild 1/2) Hubert Burda Media - 1945 produzierte Franz Burda (rechts) mit dem französischen Presseoffizier Robert Potet die Soldatenzeitung »Revue d’Information«
Offenburg. Nach dem Einmarsch der 1. Französischen Armee unter Jean de Lattre de Tassigny am 15. April 1945 in Offenburg wurde Franz Burdas Betrieb einen Tag später für beschlagnahmt erklärt. Dennoch erhielt er umgehend den Auftrag, kartografisches Material, Schulbücher, die Soldatenzeitung »Revue d’Information« sowie Briefmarken zu drucken. Die Zusammenarbeit mit den Franzosen harmonierte und Franz Burda, stets auf das Wohl seiner »Burda-Familie« bedacht, ließ sich von den Generälen der Besatzungsverwaltung in Baden-Baden umgehend versichern, dass die Wohnungen seiner Mitarbeiter vor jedem Zugriff geschützt wären.
Umso aufgebrachter reagierte er, als im Sommer vier Wohnungen für französische Verwaltungsbeamte geräumt werden sollten. Doch bei Colonel Sayous stieß er auf taube Ohren. Der brüllte: »Ich kümmere mich einen Dreck um Ihre Generäle. Ich sperre Sie ein!« Was Burda zunächst für einen Witz hielt, war eine Stunde später Tatsache. Seine guten Bekannten, Polizeioberinpektor Becker und Polizeiwachtmeister Schütz, standen mit dem Haftbefehl vor der Tür. »Gnädigerweise durfte ich noch einmal in meine Wohnung gehen, um meine Frau zu verständigen und die nötigen Utensilien wie Schlafanzug, Zahnbürste und Waschzeug zusammenzupacken«, erinnerte sich der Senator in seinen unveröffentlichten Memoiren »Mit Doktorhut und Druckerschwärze«. An diesem Montagabend um 18 Uhr staunten die Offenburger nicht schlecht, als Franz Burda durch die Stadt abgeführt wurde. Der Gefängnisdirektor geleitete ihn höchstpersönlich in die Abteilung für »kriminelle Häftlinge« im ersten Stock und sperrte ihn in Zelle 36.
Er fand seine zwei Mitinsassen im Gebet vor und erkannte in einem den Offenburger Kaufmann August Mühl, Inhaber eines Textilgeschäfts in der Hauptstraße, der Ware im Rathauskeller versteckt und nicht deklariert hatte. Der andere, im Priesterornat, stellte sich als Pfarrer Harbrecht aus Sulz vor, dessen kunsthistorische Veröffentlichungen Burda schätzte. Ihn hatte sein Protest gegen die Belegung von Kirche und Pfarrhaus in den Bau gebracht. »Mit dem Rosenkranz beten hört es jetzt auf«, entschied der Neuankömmling sofort: »Ich will, dass die Sonne durch die Gitter scheint!« Beim Anblick der drei herunterklappbaren Betten in der grauen Zelle kein Wunder. Umgehend entwarf er einen »Vorlesungsplan« für die folgenden Tage, der begeistert umgesetzt wurde: Der Pfarrer sprach über die »Romantik am Oberrhein«, Gotik, Renaissance, Barock und Rokkoko. Burda dozierte über die »Blumen- und Tierwelt unserer badischen Heimat«, badische Dichter, moderne Komponisten und Musik der Barockzeit. »Jeder Tag, den ich im Gefängnis verlebte, war ein schöner Tag«, erinnerte er sich später.
Den Gefängniswärter, einen ehemaligen Schulkameraden, schickte Franz Burda täglich nach Hause zu seiner Aenne, die Wein, Brot und Speck für den inhaftierten Gatten einpackte. Die »blässliche Suppe« aus dem Blechnapf verschmähte er. »Da zu jener Zeit niemand genug zu essen hatte, war natürlich die Kost im Gefängnis besonders katastrophal«, erzählte der Senator, »so war es kein Wunder, dass unsere Zelle meistens mit sechs Insassen belegt war, von denen drei Gefängnisaufseher waren«.
Weitaus ungemütlicher empfanden die Burda-Mitarbeiter die Abwesenheit ihres Chefs. Colonel Sayous hatte ihnen zwei kommissarische Leiter vorgesetzt, was die Burdianer mit einem Streik und der Drohung, den Franzosen den Zutritt in die Druckerei zu verwehren, quittierten. General Marie-Pierre Koenig, seit Juli 1945 Militärgouverneur und Oberbefehlshaber der französischen Zone, reagierte prompt und sandte einen Offizier ins Offenburger Gefängnis. Am Freitagnachmittag um 15 Uhr verkündete er dem prominenten Häftling: »Monsieur Burda, par ordre du Général Koenig lui même, la liberté!«
Die Enttäuschung Mühls und Harbrechts war groß und der in die Freiheit Entlassene entschuldigte sich: »Wenn ich nicht Frau und drei kleine Kinder zu Hause hätte, würde ich gern noch freiwillig bis Montag bei euch bleiben.« Mit seinen Habseligkeiten in einem Pappkarton unterm Arm verabschiedete sich Franz Burda und wurde auf dem Heimweg in die Hauptstraße 13 von Freunden und Neugierigen umringt. »Als ich dort anlangte, folgte mir bereits eine Eskorte von rund 50 Menschen. Alle wollten von mir wissen, was denn los gewesen sei.«