Nordfriese "Deddel" Thomsens Herz schlägt für die Ortenau
Nordfriese Reiner Thomsen – alias »Deddel« – ist verrückt nach dem Oberschopfheimer Motorradtreffen und verbindet seine Fahrt hierher stets mit einem Urlaub – und das seit 35 Jahren!
Um die 500 Gäste tummeln sich alljährlich auf dem Motorradtreffen der Motorradfreunde Oberrhein (MFO). Alle kommen sie gerne, viele seit Jahrzehnten, und dennoch hat das Treffen für viele Besucher ein Gesicht: »Deddel«, der Nordfriese aus Viöl (zwischen Husum und Flensburg) identifiziert sich mit dem Treffen wie kein anderer. Unzählige Schulterklopfer und Umarmungen erwiderte er auch dieses Mal beim Treffen wieder. Und immer wieder ruft Reiner Thomsen (52) »Moin« – den norddeutschen, zu jeder Tages- und Nachtzeit aktuellen Gruß, der mit dem »Guten Morgen« kaum etwas zu tun hat.
»Er würde weinen«
»Deddel« – woher kommt der Spitzname? Das weiß nicht einmal er selbst. Aber es gibt nur einen auf dem Fest und den kennt jeder – nicht nur die Stammgäste unter den Motorradfahrern, sondern auch bei den Einheimischen, die Jahr für Jahr mit Oma, Opa, Kinderwagen und Enkel den Weg auf das idyllische Festgelände am Waldrand finden.
Wie denkt »Deddel« selbst über die fast vier Jahrzehnte lange Verbundenheit zu den MFOlern? »Wenn dieses Treffen irgendwann nicht mehr stattfinden sollte, bricht für einige eine Welt zusammen«, sagt er dem Lahrer Anzeiger. Ehefrau Conny wird da konkreter: »Er würde weinen, wenn da etwas dazwischen käme. Je älter er wird, desto schlimmer wird es.« Kein Zuhörer würde einen Gedanken daran verschwenden, dass die beiden übertreiben könnten. Es ist einfach so.
1982 nahm dieses spezielle Biker-Schicksal seinen Lauf. Bei seinen ersten beiden Besuchen mangelte es noch an Motorrad und Führerschein. »Deddel« kam als Sozius mit. Bei der dritten Tour fuhr er als stolzer Besitzer einer Kawasaki GPZ 550 selbst. Einer seiner Kollegen wurde in einer Motorradzeitung auf das Lendersbachtreffen aufmerksam. Zu dritt düsten sie zur Premiere von der Waterkant in Richtung Schwarzwald. »Alles andere war Mundpropaganda«, angesichts des stetig wachsenden Zuspruchs an Nordlichtern bei den alljährlichen Treffen. Zu den Glanzzeiten in den frühen 90er-Jahren säumten 70 bis 80 Maschinen mit den Kennzeichen »NF« für Nordfriesland und »SL« für den Kreis Schleswig-Flensburg die Fest- und Campingwiese. Viele reisten mit Co-Piloten an, so dass über 100 Friesen zu Gast waren. Seit dem ersten Besuch ließ »Deddel« kein einziges Treffen aus. »Nach dem ersten Treffen habe ich ewige Treue geschworen« erzählt er voller Überzeugung. Alles andere als leere Worte. Das bekamen auch seine Arbeitgeber zu spüren. Eher hätte er gekündigt, als auf den Urlaub zum Treffen zu verzichten.
Während er mit Conny vor zwei Jahren Silberhochzeit feierte, ist er bereits seit 35 Jahre mit dem Lendersbachtreffen verheiratet. Seine Freunde verzierten sein Zelt in diesem Jahr deshalb mit einer aufblasbaren »35« – eine gelungene Überraschung. Längst ist Conny ebenfalls fast zu Hause hier. Tochter Lina (12) war mit sechs Jahren zum ersten Mal dabei. In die Fußstapfen seines Vaters scheint Sohn Marvin zu treten. Er fährt mittlerweile mit dem eigenen Motorrad vor und scheint auch sonst einige Gene seines alten Herrn abbekommen zu haben. Für eineinhalb Jahre war Marvin fest hier sesshaft, arbeitete als Zimmermann in Oberweier. Dann zog es ihn wieder in die Heimat.
Traum Nebenwohnsitz
Doch »Deddels« Familie –er selbst wuchs mit sechs Brüdern auf – war schon immer etwas größer. Neben fünf eigenen Kindern kümmern sich die Thomsens derzeit um vier Pflegekinder. Seit 20 Jahren zeigen sie ein Herz für Kinder aus weniger intakten Familien. Derzeit wohnen die beiden syrischen Flüchtlinge Ali (17) und Abdullah (18) bei ihnen. Auch sie sind beim Ortenau-Urlaub mit dabei. Die Leidenschaft Motorrad ist ihnen noch etwas fremd. Sie freuen sich über die warmen Temperaturen hier.
Käme für »Deddel »ein Wohnsitzwechsel in Frage? Vereinzelt blieben Nordlichter nach den Treffen schon hier hängen. Vor über 20 Jahren war dies durchaus ein Thema. Doch nach der Geburt der Kinder und dem Bau des Eigenheims nicht mehr. Ganz erloschen sind seine Träume jedoch nicht. So wie derzeit verbringt er jedes Jahr nach dem Treffen bei seinem Kumpel Norbert Hansen in Meißenheim, eben einer von denen, die nach einem Treffen hier blieb, einige Tage Urlaub. Irgendwann eine kleine Wohnung als Nebenwohnsitz – das schwebt ihm durchaus vor. Beleg für die Erkenntnis von Ehefrau Conny: »Hier ist seine Seelenheimat.«
Die 880 Straßen-Kilometer hierher hat »Deddel« übrigens mit Kumpel Will schon auf Inlinern zurückgelegt. 2011 war das: in elf Tagen 1146 Kilometer den Rhein entlang. »Das war unser Jakobsweg«, sagt er. Doch »Deddel« wäre nicht »Deddel«, wenn er nicht schon die nächste verrückte Idee hätte. Irgendwann will er die Strecke zum Treffen mit einem Mofa zurücklegen. Grundsätzlich gilt auch dafür: »Es kann schneien oder minus 20 Grad haben – ich fahre trotzdem immer wieder zum Treffen nach Schopfheim!«